Lexikon der Fernerkundung

Wettersatellit

Engl. weather satellite, franz. satellite météorologique; Bezeichnung für Satelliten in polarer oder äquatorialer Umlaufbahn,

Wetterstationen am Boden sind nicht gleichmäßig über die Erde verteilt und liefern nicht immer Daten in kurzen Zeitabständen. Insbesondere über Meeresgebieten und Wüstenregionen werden wenig bis gar keine Messwerte von meteorologischen Größen erfasst. Diese Beobachtungslücken lassen sich mit Hilfe von Satellitendaten verkleinern oder sogar schließen.

Historie

Die Beobachtung des aktuellen Wetterzustands aus dem Weltraum gehört zu den ältesten Anwendungen der Satellitentechnologie. Der US-amerikanische Satellit VANGUARD-2 (Start 1959) hat im Rahmen des Internationalen Geophysikalischen Jahrs (IGY) die Rückstrahlung des Sonnenlichts von der Erde und den Wolken (Albedo) gemessen und stellte damit eines der ersten Systeme zur Beobachtung von Wetter- und Klimaparametern dar. Allerdings war die Datenlieferung auf 19 Tage beschränkt und von bescheidener Qualität.

Der Start von TIROS-1

Der Start von TIROS-1 (Television and InfraRed Observation Satellite) am 1. April 1960 war der erste Tag, an dem es möglich wurde, die Wetterbedingungen auf der Erde regelmäßig und über den größten Teil der Welt aus der Sicht des Weltraums zu beobachten.

Der Satellit zur Gewinnung von Wolkenbildern wurde an Bord einer Thor-Able-Trägerrakete von Cape Canaveral, ins All geschossen. Der Satellit war im Grunde ein Zylinder mit 18 abgeflachten Seiten zur Aufnahme von Solarzellen.

Ert hatte einen Durchmesser von ca. 1,07 m, eine Höhe von 0,56 m (einschließlich der hervorstehenden Linse der Fernsehkamera) und ein Startgewicht von ca. 128,4 kg einschließlich Treibstoff für kleine Feststoffraketen, um die Drehung des Satelliten mit der Zeit zu steuern. Zum Vergleich: Der neuere NOAA-15-Satellit hat einen Durchmesser von 1,88 m, ist in seiner "gefalteten" Startkonfiguration 4,2 m hoch und wiegt beim Start 2231,7 kg.

Start von TIROS-1 TIROS-1 Start Quelle: NOAA

Die meteorologische Fernerkundung blieb bis zum Start des ersten speziell für die Wetterbeobachtung konzipierten Satelliten TIROS 1 im Jahre 1960 im Wesentlichen auf erdgebundene Radarsysteme und den gelegentlichen Einsatz von Flugzeugen beschränkt. Dabei handelte es sich immer um räumlich begrenzte Beobachtungen aus mehr oder weniger erdgebundener Sicht. Der US-amerikanische TIROS lieferte S/W-Bilder mittels einer Videokamera. Bereits das Nachfolgesystem schloss den Infrarotbereich des elektromagnetischen Spektrums in seine Beobachtungen ein. Die Reihe der Wetter- und Umweltsatelliten im niedrigen, polar umlaufenden Orbit wurde 1970 mit der Satellitenserie der US-Wetterbehörde NOAA fortgesetzt. Mit ihrem Advanced Very High Resolution Radiometer (AVHRR) stellt die NOAA-Serie mit ihren modernen Exemplaren weiterhin die Basis für die Kartierung vieler Atmosphären-, Boden- und Wasserparameter auf globaler und täglicher Basis dar. Seit Ende 2006 ergänzt der Satellit MetOp der Europäischen Wettersatellitenagentur (EUMETSAT) diese Flotte und fügt weitere Fähigkeiten hinzu, insbesondere durch die Messungen von atmosphärischen Spurengasen. Messungen vor allem der Treibhausgase über viele Jahre hinweg stellen wichtige Parameter zur Analyse und Prognose globaler Klimaveränderungen dar. Neben Europa und den USA betreiben Russland die Meteor-Serie, China die Fēngyún-Serie, Japan die MSAS-Serie und Indien die Insat-Serie.

Vergleich der Eigenschaften von geostationären
und polarumlaufenden Satelliten geo_vs_leo_table Quelle: UCAR

Eine nahezu dauerhafte Beobachtung des Wetters an bestimmten Bereichen der Erde wird durch geostationäre Wettersatelliten ermöglicht. Seit dem Start des US-amerikanischen GOES-A (später umbenannt in GOES-1) im Jahre 1975 sind weitere dazugekommen. Die Satelliten von USA/NOAA, Europa/EUMETSAT, der Russischen Föderation, China, Japan und Indien liefern (Bild-)Daten über die gesamte, jeweils in ihrem Blickfeld befindliche Hemisphäre im Takt von bis zu 15 Minuten (s. Grafik unten).

Die Daten der geostationären Satelliten werden zumeist von zentralen Bodenstationen empfangen, verarbeitet und z.T. auch in verarbeiteter Form gleich über einen Transponder an Bord des gleichen Satelliten weiterverbreitet. Die neben den von nationalen Wetterdiensten und vermehrt auch privaten Anbietern erzeugten Klima- und Wetterdaten werden in internationalen Datenzentren zusammengeführt. In Europa ist das Zentrum für Mittelfristprognosen (European Centre for Medium-Range Weather Forecasts, ECMWF) in Reading, westlich von London, eines der Zentren, die aus den Satellitendaten und Atmosphärenmodellen zunehmend genauere Langfristprognosen für das Wetter erstellen. Für den Flugverkehr sind auch die neun Volcanic Ash Advisory Center (VAAC) wichtig, die mithilfe von Wettersatellitendaten die Behinderungen des Flugverkehrs durch Vulkanasche in der Atmosphäre vorhersagen.

Einsatzbereiche

Heute liefert der Einsatz von Wettersatelliten permanent und weltumspannend Daten und Bilder über die Wolkenverteilung und Wolkenarten, die Bewegung und Zugbahnen der Wolken, die Windbewegungen, die Strahlungstemperaturen, die Schnee- und Eisbedeckung, die Oberflächentemperatur der Wasser- und Landflächen sowie den Zustand der Atmosphäre (u.a. Luftdruck, Niederschläge, Ozongehalt, Luftverschmutzung, Temperatur- und Feuchtigkeitsprofile). Neben den wichtigen Klimaelementen, die zur Wettervorhersage nötig sind, informieren die Satelliten auch über den Zustand der Waldgebiete, Ernte- und Weideflächen, Überschwemmungsgebiete, Meeresströmungen, Eisberge und über Vulkanausbrüche.

gos_wmo_sm The WMO Global Observing System

Das gegenwärtige globale Beobachtungssystem besteht aus verschiedenen Instrumentengruppen,
die von der WMO wie folgt eingeteilt werden:

  • Class 1 instruments, sie messen in situ an einem Ort; sie decken einen kleinen Teil der zu messenden Phänomene ab (z.B. Lufttemperatur in einer Bodenwetterstation).
  • Class 2 instruments, sie messen Variablen, die über eine Gebiet gemittelt werden oder die per Fernerkundung gemessen über ein Luftvolumen hinweg gemittelt werden (z.B. Temperatur, als Strahlungswerte vom Satelliten gemessen oder Niederschlag, aus Radarreflektivität abgeleitet).
  • Class 3 instruments, sie messen Windgeschwindigkeit durch das Nachverfolgen von physischen Objekten und ihrer Verlagerung über die Zeit (z.B. Sonden, die mit Hilfe von GPS verfolgt werden oder Windgeschwindigkeit, die sich aus der Verfolgung von Wolkenelementen mittels Satellitenbildern ableiten lässt).
Quelle: UCAR
Sensorik

Wettersatelliten tragen als Nutzlast bildaufnehmende Sensoren (Radiometer). Sie messen die Strahlung in verschiedenen Spektralbändern, hauptsächlich im sichtbaren und infraroten Bereich. Ferner sind sie mit Fernsehkameras, Strahlungsmessgeräten und atmosphärischen Soundern (passive Sensoren, die Höhenprofillinien von Druck, Temperatur oder Spurengaskonzentrationen in der Atmosphäre erfassen) ausgestattet. Zusätzlich sind Einrichtungen zur Kommunikation an Bord, z.B. zum Empfang von Wettermeldungen von automatischen Wetterstationen und zur Austrahlung der aufgenommenen Wettersatellitenbilder.

Die Radiometer liefern primär Wolkenaufnahmen, die durch ein automatisches Bildübertragungssystem (APT-System: Automatic Picture Transmission) praktisch ohne zeitliche Verzögerung von geeignet ausgerüsteten Bodenstationen empfangen werden können. Auch während der Nacht lässt sich die Bewölkung durch Messung der Infrarotstrahlung der Wolkenoberflächen beobachten. Die gemessene Strahlungsemission kann in Temperaturwerte umgerechnet werden, aus denen sich die Höhe der verschiedenen Wolkenschichten ableiten lässt. Aus Sequenzen halbstündiger Bilder von geostationären Satelliten lassen sich auch aus der Wolkenverlagerung Informationen über das globale Windfeld gewinnen.

Aus Strahlungsmessungen in verschiedenen Wellenlängenbereichen, z.B. Absorptionsmessungen im Bereich der Kohlendioxid-Banden und Ozon-Bande kann die Temperatur in verschiedenen Höhen der Atmosphäre berechnet werden. Strahlungsmessungen geben auch über die Feuchtigkeit Wasserdampfverteilung) in der (oberen) Atmosphäre Aufschluss. Die Temperatur des Erdbodens und der Meeresoberfläche kann durch die im Infrarot und Mikrowellenbereich gemessene Strahlung bestimmt werden.

Als Astronaut kann man aus dem All ein Abbild unseres blauen Planeten im für das menschliche Auge sichtbaren (solaren) Spektralbereich (Wellenlängen zwischen 380 und 780 nm). Unser Auge erkennt also eine ganze Bandbreite an Wellenlängen, die es unterschiedlichen Farben zuordnet. Die Radiometer der Wettersatelliten funktionieren nach einem ähnlichen Prinzip, allerdings bestehen sie nicht nur aus einem "Auge", sondern aus gleich zwölf Augen, den sogenannten Kanälen. Jeder der zwölf Kanäle empfängt einen bestimmten von der Erde emittierten Wellenlängenbereich. Die Kanäle messen dabei die Intensität der empfangenen Strahlung, ohne diese Farben zuzuordnen. So entstehen Schwarz-Weiß-Bilder, bei denen weiß eine hohe Strahlungsintensität und schwarz eine geringe Strahlungsintensität bedeutet. Drei der zwölf Kanäle empfangen - ähnlich zum menschlichen Auge - Strahlung im solaren (kurzwelligen) Bereich, aber mit einer jeweils kleineren Bandbreite als unser Auge. Weitere acht Kanäle empfangen Strahlung im thermischen (langwelligen) Strahlungsbereich und damit Informationen, die unser Auge nicht erfassen kann. Jeder dieser elf Kanäle sieht für sich betrachtet zwar weniger als unser Auge, in der Kombination aller Kanäle erfasst ein Radiometer aber weitaus mehr Informationen von der Erde als der sehende Mensch. Das zwölfte Auge des Radiometers, der HRV-Kanal (High Resolution Visible), ist das Adlerauge unter den Kanälen, es sieht besonders scharf, also mit einer höheren Auflösung im gesamten sichtbaren Spektralbereich.

Satellitenbild im hochaufgelösten sichtbaren Bereich (HRV-Kanal) Satellitenbild im hochaufgelösten sichtbaren Bereich (HRV-Kanal) Quelle: DWD

Jeder der einzelnen Kanäle liefert den Meteorologen ganz individuelle Informationen. Die sichtbaren Kanäle geben beispielsweise Auskunft über die räumliche Verteilung und Dicke der Wolken, sowie dort, wo keine Wolken vorhanden sind, auch über die Beschaffenheit der Erdoberfläche (Abbildung oben, HRV-Kanal). Die Kanäle im thermischen Strahlungsbereich sind hingegen sensitiv für bestimmte Strahlungstemperaturen. Da die Temperatur in der Atmosphäre gewöhnlich mit der Höhe abnimmt, kann mithilfe der erfassten Strahlungstemperaturen an den Oberkanten von Wolken auf die Wolkenhöhe geschlossen werden. Somit kann unterschieden werden, ob es sich um flache tiefe Wolken, um hohe Schleierwolken oder um mächtige hochreichende Wolken handelt (Abbildung unten, IR8.7-Kanal). Einige der infraroten Kanäle messen zudem in Absorptionsbereichen atmosphärischer Gase wie Ozon, Kohlen(stoff)dioxid (CO2) oder Wasserdampf. So kann man die Ozonkonzentration in der Atmosphäre bestimmen oder erhält Auskunft darüber, in welchen Bereichen der Atmosphäre sich viel oder wenig Wasserdampf befindet. Zudem kann man noch eine Fülle weiterer Informationen aus den einzelnen Kanälen selbst oder aus einer Kombination verschiedener Kanäle gewinnen.

Satellitenbild im infraroten Bereich (IR8.7-Kanal) Satellitenbild im infraroten Bereich (IR8.7-Kanal) Quelle: DWD
Umlaufbahncharakteristik

Nach Umlaufbahncharakteristik lassen sich zwei Gruppen von Wettersatelliten unterscheiden:

Beobachtungsflächen der operationellen geostationären Wettersatelliten Quelle: Météo-France
Aufgabenstellung

Nach den Aufgabenstellungen von Wettersatelliten wird unterschieden zwischen

  1. operationellen Satelliten ('Arbeitssatelliten') mit ihrem kontinuierlichen Datenstrom, dazu gehört die Satelliten-Serie der NOAA, die GOES-Serie, die MetOp-Serie und die Meteosat-Serie und
  2. Forschungs- und Entwicklungssatelliten, wie Nimbus, ATS (Application Technology Satellite), ACRIMSat, die CryoSat II-Mission für klimatologische Aufgabenstellungen oder der von 2018 - 2023 aktive Aeolus zur Vermessung von Windfeldern.
Globales System der operationellen Wettersatelliten Globales System der operationellen Wettersatelliten

Geostationäre und polarumlaufende Satelliten, die zum globalen operationellen Satellitenbeobachtungssystem beitragen, dargestellt als Satelliten-Icons, die die Erde umkreisen.
Aktualisiert am 10. November 2011

Quelle: UCAR
Bewertung der Satellitentechnologie

Als Vorteile von Satellitenbeobachtungen gegenüber anderen meteorologischen Mess- und Beobachtungssystemen gelten:

Auch wenn längst weitgehend Konsens darüber besteht, dass Wissenschaftler und politische Entscheidungsträger Satellitendaten benötigen, um z. B. den Klimawandel zu verstehen und die damit einhergehenden Probleme anzugehen, ist der Zugang zu Daten von mehr als der Hälfte der nicht klassifizierten Erdbeobachtungssatelliten in irgendeiner Weise eingeschränkt, anstatt offen verfügbar. (Borowitz 2018)

Weitere Informationen:


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