Lexikon der Fernerkundung

Aeolus

Nach dem griech. Windgott Aiolos (altgr. Αἴολος) bezeichnete Satellitenmission der ESA aus der Reihe Earth Explorer Core Mission, einer Missionsfamilie, die sich mit den dringlichsten geowissenschaftlichen Fragen unserer Zeit auseinandersetzt. Die auf drei bis vier Jahre angelegte Mission startete am 22. August 2018 mit einer Vega-Trägerrakete vom europäischen Raumflughafen Kourou in Französisch-Guayana und ist seit April 2023 beendet.

Sie lieferte globale Daten zur dreidimensionalen Darstellung von Windfeldern sowie Daten über die Umweltverschmutzung der Atmosphäre für wissenschaftliche Studien. Die Messungen dienen der genaueren Kenntnis der Windenergie und der atmosphärischen Zirkulationsmuster einschließlich des weltweiten Transports von Energie, Wasser, Aerosol und Chemikalien. Man erhofft sich weitere Erkenntnisse über Phänomene wie El Niño/Southern Oscillation. Daneben sollen die Daten helfen, Klimavariabilität zu quantifizieren und zur Validierung und Verbesserung von Klimamodellen beitragen.

Die Kenntnis der Windgeschwindigkeit ist für die Wettervorhersage als auch für die Klimaforschung von entscheidender Bedeutung. Die globale Messung des Höhenprofils des Windes wurde daher von Experten der Weltorganisation für Meteorologie (WMO) an erster Stelle der Prioritäten für zukünftige Satelliteninstrumente für die Wettervorhersage gesetzt. Die europäische Raumfahrtagentur ESA hat daher im Jahr 1999 die Atmospheric Dynamics Mission ADM-Aeolus als Mission ausgewählt, die Lücke im globalen Beobachtungsnetz für Windmessungen zu schließen.

Die folgende Grafik veranschaulicht das LIDAR-Konzept von Aeolus. Das Aladin-Instrument besteht aus zwei leistungsstarken Lasern, einem großen Teleskop und sehr empfindlichen Empfängern. Der Laser erzeugt ultraviolettes Licht, das auf die Erde gestrahlt wird. Dieses Licht prallt an Luftmolekülen und kleinen Partikeln wie Staub, Eis und Wassertröpfchen in der Atmosphäre ab. Der Anteil des Lichts, der zum Satelliten zurückgestreut wird, wird vom Aladin-Teleskop aufgefangen und gemessen.

Aus der Laufzeit zwischen Ausstrahlung und Empfang berechnet ein Computer die Distanz und aus dem durch Dopplereffekt erzeugten Frequenzversatz das Tempo der Teilchen als Projektion bezogen auf die Bahn des Satelliten. Der Messfehler der Winddaten beträgt dabei maximal rund 0,7 m/sec.

Aeolus - das LIDAR-Konzept Aeolus - das LIDAR-Konzept Quelle: eoPortal / ESA

Der Satellit trägt als einziges Instrument einen aktiven Doppler-Windlidar (ALADIN, Atmospheric Laser Doppler Lidar Instrument). Es sendet kurze Lichtpulse im nahen UV (355 nm) aus, deren Rückstreuung ein Spiegelteleskop von 1,5 m Durchmesser registriert. Aus den Laufzeiten der in der Atmosphäre reflektierten Strahlung und ihrer Dopplerverschiebung erhält man Hinweise auf die Feuchtigkeitsverteilung, Strömungs- und Windverhältnisse in der Atmosphäre in unterschiedlichen Höhen. Die horizontale Ortsauflösung ist besser als 50 km.

Der knapp 1,4 Tonnen schwere Satellit einschließlich seiner 266 kg Treibstoffvorräte misst 4,6 mal 1,9 mal 2 Meter. Aeolus befindet sich in 320 km Höhe auf einer sonnensynchronen Umlaufbahn mit 96,99° Neigung. Um diese relativ niedrige Umlaufbahn zu halten, braucht der Satellit wegen der vorhandenen Restatmosphäre und der damit verbundenen Reibung viel Treibstoff. Alle sieben Tage muss der Satellit angehoben werden, um nicht in die Atmosphäre zu stürzen.

Der außergewöhnlich niedrige Orbit ist nötig, um ausreichend Licht zurückzubekommen. 50-mal pro Sekunde schickt das Instrument Lichtbündel aus, jedes erhält zehn hoch 16 Photonen, die in alle Richtungen streuen. Genügend Photonen müssen den ganzen Weg wieder zurückfinden durch das Teleskop bis hin ins Instrument – das gelingt nur einem Bruchteil. Je höher der Satellit fliegt, desto länger die Strecke und desto weniger Licht kommt zum Auswerten zurück.

Aeolus braucht 90 Minuten für eine Erdumrundung, in einem Tag zeichnet er dabei 16 Erdumdrehungen auf – und damit alle Winde vom Boden bis 30 Kilometer darüber. Oder er nimmt globale die Daten von Wolken bis in 30 Kilometer Höhe auf. Jeden Tag bewegt der Satellit sich ein Stück weiter, sodass er innerhalb einer Woche nahezu die ganze Erde vermessen hat. Die kurzfristige Prognose für Gebiete mit vielen anderen Beobachtungen, zum Beispiel für Europa, wird Aeolus also nur bedingt verbessern können. Wohl aber die für die kommenden sieben oder zehn Tage. Langfristige Wettervorhersagen werden also bald genauer.

Vor allem die genaue Kenntnis der Dynamik des Wetters in den Tropen und über dem Paziik lässt eine zuverlässigere Vorhersage von starken und plötzlichen Stürmen in unseren Breitengraden zu. Bisher müssen sich die Wetterdienste bei ihren Vorhersagen auf vergleichsweise wenige und punktuelle Winddaten verlassen. Die Abdeckung über den Ozeanen, Afrika und Südamerika sowie den Polargebieten ist sehr gering. Viele Extremwetter wie etwa Orkane, die auch hohe Schäden in Deutschland und Europa verursachen können, entstehen zwischen den Subtropen und den subpolaren Breitengraden. Das Europäische Zentrum für mittelfristige Wettervorhersage (EZMW) wird die Aeolus-Daten verarbeiten und den europäischen Wetterdiensten zur Verfügung stellen. Damit füllt Aeolus eine sehr wichtige Lücke.

Die folgende Grafik veranschaulicht Profilmessungen der weltweiten Winde mit Aeolus. Der Aeolus-Satellit fliegt auf einer sonnensynchronen Bahn in etwa 320 Kilometern Höhe. In sieben Tagen schafft er 111 Umläufe, also etwa 16 pro Tag. Sein Laser strahlt quer zur Flugrichtung schräg im 35-Grad-Winkel nach unten und vermisst dabei jeweils einen 230 Kilometer schräg unter ihm liegenden Streifen. So lässt sich auch die horizontale Bewegungskomponente von Partikeln in der Atmosphäre ermitteln.

Profilmessungen der Winde weltweit mit Aeolus Aeolus - Schemaskizze Quelle: ESA/ATG medialab

In Bezug auf die Klimaforschung überbrückt der von Airbus Defence and Space gebaute Aeolus die Zeit, in der die NASA-Satelliten CloudSAT und CALIPSO keine Daten über Aerosole und Wolken mehr liefern werden und das europäische Projekt EarthCARE noch nicht gestartet ist. Letzteres wird erst für 2024 erwartet.

Die Daten werden auf Svalbard (Spitzbergen) und an der norwegischen Forschungsstation Troll in der Antarktis empfangen und in Tromsø/Norwegen prozessiert. Daraus werden beim EZMW (Europäisches Zentrum für mittelfristige Wettervorhersage) die Windprofile erstellt und anschließend von EUMETSAT (Europäische Organisation für meteorologische Satelliten) über EUMETCast den Nutzern zur Verfügung gestellt.

Aeolus half bei der Nachverfolgung des Ausbruchs des Hunga Tonga

Aeolus erweist sich auch bei der Verfolgung von Ereignissen wie Vulkanausbrüchen als hilfreich, da die Daten über die virtuelle Forschungsumgebung von Aeolus innerhalb von drei Stunden nahezu in Echtzeit beim Nutzer ankommen. Anfang dieses Jahres nutzten Wissenschaftler, die am Aeolus Data Science Innovation Cluster arbeiten, das Online-Visualisierungstool, um den Vulkanausbruch des Hunga Tonga zu verfolgen.

Am 15. Januar 2022 deutete ein starker Abfall des Aeolus-Signals über der Region des Ausbruchs darauf hin, dass die Aschewolke eine Höhe über der Reichweite von Aeolus erreicht haben muss, wie im obigen Bild zu sehen ist. Das folgende Bild verwendet Daten vom 18. Januar, also drei Tage später, und zeigt, wie Aeolus die Vulkanfahne verfolgen konnte, die sich über Australien ausbreitete und nach Westen verteilte.

Obwohl die ESA-Mission Aeolus ihre geplante Lebensdauer in der Umlaufbahn überschritten hatte, lieferte sie weiterhin hervorragende Daten. Die Verwendungszwecke der Aeolus-Winddaten sind vielfältig und reichen von der Wettervorhersage über die Verbesserung von Klimamodellen bis hin zur Verfolgung von Ereignissen in nahezu Echtzeit, wie etwa dem jüngsten Vulkanausbruch des Hunga Tonga. Das Bild, das aus den am 18. Januar 2022 gesammelten Daten verarbeitet wurde, zeigt, wie Aeolus die Vulkanfahne verfolgte, die sich über Australien ausbreitete und nach Westen zog

Ausbreitung der Vulkanasche von Tonga,
dargestellt in den Aeolus-Daten vom 18. Januar 2022 Ausbreitung der Vulkanasche von Tonga, dargestellt in den Aeolus-Daten vom 18. Januar 2022 Quelle: ESA

Nachdem der Messbereich des Satelliten erweitert wurde, war Ende Januar die gesamte Aschewolke in der Stratosphäre deutlich sichtbar.

Wie nützlich solche Analysen sind, machte Anna Kampouri vom Nationalen Observatorium von Athen deutlich, die in Taormina auch zeigte, wie die Aeolus-Daten die Modelle der Aschewolke des Ätna verbesserten, als diese im März 2021 über Griechenland hinwegzog. Dieser Effekt ist wichtig, um die Luftfahrtindustrie vor potenziellen Gefahren zu warnen, da Begegnungen mit Aschewolken in hohen Konzentrationen die Sicht beeinträchtigen und Flugzeugtriebwerke beschädigen können.

Der Satellit ist ab April 2023 inaktiv.

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