Satellitenmeteorologie
Zweig der Meteorologie, der sich mit der Entwicklung und Nutzung qualitativer und quantitativer Methoden zur Auswertung von Satellitenbildern und anderer Produkte satellitengetragener Sensoren in Hinblick auf eine Anwendung im Bereich der Wetteranalyse und Wettervorhersage befasst. Es geht dabei um die Fernerkundung von Parametern der Atmosphäre und der Erdoberfläche, die für meteorologische Prozesse und damit auch für das Klima wichtig sind.
Bei der Satellitenmeteorologie wird Strahlung verwendet, deren Wellenlängen sich um einen Faktor von über 1 Million unterscheiden. Auf anschauliche Dimensionen übertragen entspricht das einem Unterschied zwischen 1 mm und 1 km.
Die eigentlichen Messdaten der Radiometer auf den Satelliten sind Graustufen von jedem Kanal des Sensors (entsprechend einer Wellenlänge), die zu Bildern zusammengesetzt werden. Diese georeferenzierten Bilder enthalten bereits interessante, auswertbare meteorologische Informationen, und ihre zeitliche Änderung erlaubt atmosphärische Strömungsfelder (Winde), Wetteränderungen oder Transportvorgänge zu erkennen. Gewöhnlich werden aber die Ergebnisse mehrerer Kanäle weiterverarbeitet und zu detaillierter meteorologischer Information zusammengefügt.
Die ersten Starts künstlicher Satelliten, die mit Sputnik am 4. Oktober 1957 von der Sowjetunion und mit Explorer I am 2. Januar 1958 von den USA begannen, läuteten eine neue Ära der Erdbeobachtung ein. Wenige Jahre später, am 1. April 1960, wurde der erste meteorologische Satellit, TIROS, gestartet und lieferte erstmals Bilder von der Verteilung der Wolken, von denen man bisher nicht zu träumen wagte. Obwohl der Satellit nur 78 Tage lang in Betrieb war, waren die Meteorologen weltweit begeistert von den Bildern der Erde und ihrer Wolkendecke.
So begann die Satellitenrevolution, die die Art und Weise, wie die Menschen den Planeten beobachteten, für immer verändern sollte. Diese Fortschritte in der Computer- und Weltraumtechnologie stimulierten die Schaffung der WMO World Weather Watch und schließlich des WMO Global Satellite Observing System. Das Globale Satellitenbeobachtungssystem hat einen beispiellosen Erfolg, indem es die Länder der Welt zusammengebracht hat, um wissenschaftlich zusammenzuarbeiten und die Art und Weise, wie Meteorologen den Planeten und die Atmosphäre untersuchen, zu verändern.
Inzwischen hat die Zahl der Satelliten, die zu dem System beitragen, erheblich zugenommen. Jetzt liefert eine Flotte von Satelliten Daten für verschiedene Nutzergemeinschaften im Bereich der Meteorologie, Ozeanographie und des Klimas.
WMO Global Satellite Observing System (2021) Derzeitiger weltraumgestützter Teil des globalen Beobachtungssystems der WMO sowie zusätzliche Weltraumwetter- und Umweltsatelliten. NESDIS IIAD arbeitet mit vielen internationalen Koordinierungsorganisationen zusammen, um sicherzustellen, dass die weltweiten Investitionen in Satelliten- und In-situ-Beobachtungen interoperabel sind und so effizient wie möglich erfolgen. Quelle: NOAA/NESDIS (2021) |
Vorteile der satellitengestützten Meteorologie:
- Möglichkeit zur Beobachtung von meteorologisch relevanten Objekten, die meist nicht direkt zugänglich sind, wie Wolken, Staubwolken oder Spurengaskonzentrationen in der Stratosphäre.
- Beobachtung der Erdoberfläche und der darüber befindlichen Atmosphäre in Gebieten, wo meteorologische Untersuchungen vom Boden aus schwierig sind und selten durchgeführt werden (über zwei Drittel der Erdoberfläche sind mit Ozeanen bedeckt oder z.B. in Wüsten und Polargebieten schwer zugänglich). Die bodengestützten Beobachtungen sind zudem eher punktuell oder linienhaft (Schifffahrtsrouten) und nicht flächendeckend.
- Mit nur einem Instrument (zumindest gilt dies für die polarumlaufenden Satelliten) oder mit identischen Instrumenten auf verschiedenen Satelliten kann die ganze Erde bzw. ihre Lufthülle untersucht werden, wodurch Fehler durch unterschiedliche Messgeräte an verschiedenen Orten vermieden werden.
- Zeitgleiche Messung unterschiedlicher Parameter für einzelne Orte durch den satellitengestützten Einsatz verschiedener Sensoren.
- Relativ kontinuierliche Beobachtung in hoher zeitlicher Dichte. Abhängig von der Umlaufbahn wird dieselbe Größe für denselben Ort mit Abständen von fünf Minuten bis hin zu einigen Tagen gemessen.
- In Verbindung mit anderen Daten wie SYNOP-, Radiosonden-, Niederschlagsradarbeobachtungen oder Blitzortungsdaten und der Betrachtung von Bildfolgen lassen sich Aussagen über die kurzfristige Wetterentwicklung der nächsten 1-2 Stunden machen.
- Für die numerische Wettervorhersage spielen Satellitendaten ebenfalls eine wichtige Rolle. Da auch für Wettervorhersagen mit Computermodellem möglichst viele Ausgangsdaten benötigt werden, ergänzen die Satellitendaten die Bodenbeobachtungen und Radiosondenaufstiege, z.B. mit Windvektoren. Zu nennen sind hier ausdrücklich auch die sondierenden Missionen auf den polnah umlaufenden Satelliten, die Vertikalprofile diverser meteorologischer Größen abzuleiten helfen. Die Einbeziehung dieser Daten in die numerische Wettervorhersage hat zu einer deutlichen Qualitätssteigerung geführt.
- Werden mehrere Spektralkanäle z.B. des METEOSAT zu einer farbigen Darstellung kombiniert, können je nach Kombination verschiedene meteorologische Erscheinungen farbig herausgehoben werden.
- Aus der Verlagerung von Wolken- und Feuchtestrukturen zwischen aufeinander folgenden Bildern können Windvektoren (Stärke, Richtung) abgeleitet werden, die neben anderen Parametern Eingang in die numerische Wettervorhersage (NWV) finden und dort zu einer Qualitätssteigerung führen.
- Im infraroten Spektralbereich (IR) misst der Satellit die Wärmestrahlung der Erde und der Wolken. Damit lassen sich Temperaturen der Meeresoberflächen und Wolkenoberflächen bestimmen. Aus der Temperatur der Wolkenoberfläche kann man wiederum auf die Höhe der Wolke schließen. Außerdem lassen sich Bedeckungsgrad und Art der Wolken bestimmen. Aus den beiden Wasserdampfkanälen des MSG kann der Feuchtegehalt der Atmosphäre in zwei Höhenbereichen ermittelt werden.
- Satelliten und Sensoren, die ihre Messaufgabe wegen ihres Alters nicht mehr erfüllen, werden i.d.R. durch adäquate neue Satelliten ersetzt. Dies ermöglicht langfristige Messungen über viele Jahre hinweg und damit die Überwachung des Klimas und die Entdeckung von Änderungen und Trends.
- Ein zusätzlicher positiver Aspekt für Wetterbeobachter besteht darin, dass von geostationären Wettersatelliten ein großes Gebiet der Erde auf einen Blick erfasst wird, großräumige meteorologische Strukturen und Prozesse also in ihrem Zusammenhang beobachtet werden können. Dies gilt z.B. für die Erkennung der Wolkenspiralen von Zyklonen, die von Satelliten aus vollständig als Wetterfronten erfasst werden können.
- Besonderen Informationsgewinn bringt die Satellitenmeteorologie der Südhalbkugel, da dort aufgrund der dominierenden Fläche der Ozeane, aber auch wegen der noch ausbaufähigen Infrastruktur nur relativ geringen Mengen konventioneller Beobachtungsdaten zur Verfügung stehen. Inzwischen ist die Vorhersagequalität auf beiden Hemisphären nahezu gleich.
- Die Bilder, die z.B. von MSG alle 15 Minuten aufgenommen werden, lassen sich zu Zeitrafferaufnahmen zusammensetzen. Diese zeigen eindrucksvoll die Entwicklung von Wettersystemen und sind für die Wetterüberwachnung notwendig (z.B. Erkennung von neu entstehenden Tiefdruckgebieten, Gewitterentwicklungen oder zur Überwachung von tropischen Stürmen). Außerdem werden solche Filme im Fernsehen zur Verdeutlichung des aktuellen Wetters gezeigt.
- Wettersatelliten dienen der Überwachung und Vorhersage gefährlicher Wetterereignisse, tragen zum Krisenmanagement und zur Risikoreduzierung gefährlicher Naturereignisse bei, spielen eine wichtige Rolle bei Vorhersagen für das Verkehrswesen, wobei insbesondere die Luftfahrt und Seeschifffahrt hervorzuheben sind, aber auch in Bereichen wie Land- und Forstwirtschaft, Energiewirtschaft, Tourismus und Freizeit.
- Es entstehen relativ geringe Kosten für die einzelnen Messungen, verglichen mit bodengebundenen Messungen für größere Gebiete und dies trotz erheblicher Kosten für Entwicklung und Bau weltraumtauglicher Sensoren und deren Transport in den jeweiligen Orbit.
- Die Satellitenmeteorologie erfasst nicht nur Atmosphärenparameter wie Wolken und die für das Klima wichtige Strahlungsbilanz der Erde als Ganzes, sondern auch die für meteorologische Prozesse wichtige Größen am Unterrand der Atmosphäre wie die Bodentemperatur oder die Verteilung von Eis und Schnee. Neben Informationen für Wetter und Klima im engeren Sinne liefern Satelliten auch wichtige Umweltdaten. So wird die raumzeitliche Verteilung von Wolken im Hinblick auf die Solarenergienutzung ausgewertet. Ferner können von Satelliten aus Brandherde in Wald und Steppe geortet, Überschwemmungsgebiete erkannt, Stadt- und Waldgebiete vermessen und das Grün der Vegetation als Indikator für deren Zustand bestimmt werden.
Probleme der satellitengestützten Meteorologie:
- Manche meteorologische Größen können nur ungenau, weitere nur indirekt bestimmt werden.
- Wie bei jeder Fernerkundung muss die gemessene Information - bei der Satellitenmeteorologie ist dies immer eine Strahlungsgröße - auf die eigentlich interessierende Ursache zurückgeführt werden (Problematik der 'Invertierung'). Die Verknüpfung der am Satelliten gemessene Strahlungsinformation mit den verursachenden meteorologischen oder geophysikalischen Eigenschaften ist i.A. nicht eindeutig. Die 'Rückwärtsrechnung' oder 'Invertierung' ist immer mehr oder weniger unsicher und fehlerbehaftet, da unterschiedliche Kombinationen von Atmosphären- und Bodeneigenschaften das gleiche Signal am Satelliten ergeben können oder zumindest Signale, die sich im Rahmen der Messgenauigkeit nicht unterscheiden lassen. Man behilft dabei z.B. durch die Nutzung anderer Spektralbereiche oder bei uneindeutigen Mischpixeln durch die Nutzung der Zusatzinformation von Pixeln mit eindeutigen Verhältnissen. Ferner werden Invertierungsalgorithmen (Retrieval Algorithms) entwickelt, um aus den gemessenen Strahlungswerten die gesuchten Größen abzuleiten (vgl. Köpke/Sachweh 2012).
- Möglichkeit einer ungenauen oder falschen Kalibrierung (wie auch bei anderen nicht-meteorologischen oder/und satellitenbasierten Sensoren)
Siehe auch die Stichworte Meteorologie und Fernerkundung, Wettersatellit, Wolken und Fernerkundung oder die Bezeichnungen der einzelnen Wettersatelliten (z.B. Meteosat, NOAA-12 etc.), sowie das Printmedium von Köpke/Sachweh 2012
Weitere Informationen:
- AG Satellitenmeteorologie - u.a. aktuelle Bildsequenzen des Meteosat (FU Berlin)
- Weltweites Online-Training für Satelliten-Meteorologie (ZAMG)
- Satellitenmeteorologie Teil 1, Satellitenmeteorologie Teil 2 (DWD)
- Aktuelle RGB-Komposits inklusive Erläuterungen (EUMETSAT)
- Satellitenbilder global / regional (DWD)
- Wettersatelliten (DWD)
- List of all satellites (WMO)