Lexikon der Fernerkundung

Meeresoberflächentemperatur (SST)

Engl. sea surface temperature (SST), franz. température de surface de la mer; die Meeresoberflächentemperatur ist ein von der Molekülbewegung abhängiges Maß für die Energie in der obersten Schicht der Meere. Vereinfacht ausgedrückt handelt es sich um die Temperatur, die über die von der Meeresoberfläche emittierte Strahlung gemessen wird. Der Begriff ist häufig noch vage verwendet, z.T. widersprüchlich definiert. Die Temperatur bewegt sich von ungefähr -2 °C in den Polarregionen bis zu 32 °C in den Tropen.

Bedeutung der Meeresoberflächentemperatur

Die Bestimmung der Meeresoberflächentemperatur oder Sea Surface Temperature (SST) gehört zu den grundlegenden Messungen in der Meteorologie, Klimatologie und Ozeanographie. Die Meeresoberflächentemperatur hat einen großen Einfluss auf den Austausch von Wärme, Feuchtigkeit, Impuls und Gasen zwischen Atmosphäre und Ozean. Die SST enthält Informationen über Meeresströmungen und Ozeanwirbel. Für die Beobachtung der Meereszirkulation sind die SST der bevorzugte Datentyp, da Meeresströmungen charakteristische Temperaturen besitzen.

Der Anstieg der Meerestemperaturen ist ein wichtiges Indiz für die Klimaerwärmung und die SST ist die Schnittstelle zwischen Ozean und Atmosphäre sowie ein Parameter für die Kopplung dieser beiden Systeme.

Für globale und regionale Wettermodelle ist die SST ein entscheidender Eingangsparameter. Für die Datenassimilation der Modelle ist es wichtig, sowohl die SST als auch deren Genauigkeit möglichst präzise zu kennen.

Die Bestimmung der SST mit Hilfe von Satelliten bietet viele Vorteile: Während beispielsweise Bojen oder Schiffe nur punktuelle Messungen liefern können, ermöglichen Satelliten eine große räumliche Abdeckung eines Gebietes. Es ist möglich rößere räumliche Strukturen, wie die turbulente Durchmischung zweier Ozeanströmungen, zu erkennen. Die Satellitenmessungen erzeugen zeitlich und räumlich hoch aufgelöste, globale und relativ kontinuierliche Datensätze aus denen die SST abgeleitet werden kann.

Der Nachteil der Satellitenmeteorologie besteht darin, dass relevante Größen nur indirekt bestimmt werden können. Der gesuchte Wert muss aus den gemessenen Daten abgeleitet, „invertiert“, werden. Eine weitere Schwierigkeit bei der exakten Bestimmung besteht im Einfluss der Atmosphäre. Ein Signal von der Erdoberfläche, das vom Satelliten gemessen wird, muss die Erdatmosphäre erst durchqueren bevor es von der Kamera erfasst werden kann. Den größten Einfluss auf das gemessene Signal bei etwa 10 μm nehmen die 10 km mächtige Troposphäre und der darin enthaltene Wasserdampf (EMERY et al. 1994). In den Tropen kann die Abweichung zwischen gemessener SST und berechneter SST ohne Berücksichtigung der Strahlungsprozesse in der Atmosphäre bis zu 10 K betragen.

Vor den 1980er Jahren wurden Messungen der SST von Instrumenten an Küsten, auf Schiffen und auf Bojen durchgeführt. Die erste automatisierte Methode zur Gewinnung von SST-Daten erfolgte durch die Messung der Temperatur des Wassers, das durch Einströmöffnungen von Ozeanschiffen floss. Zwar lieferte diese Methode eine beträchtliche Menge an nützlichen Daten, so hatte sie auch Nachteile. Die Tiefe der Einlassöffnungen variierte von Schiff zu Schiff beträchtlich, was das Temperaturprofil in einem geschichteten Wasserkörper mit seinen unterschiedlichen Temperaturen nicht korrekt wiedergab. Auch führte die Methode zu einer gründlichen Datenerhebung entlang der wichtigsten Schifffahrtsrouten, aber gleichzeitig bestand ein Informationsmangel über die Verhältnisse im größten Teil der Ozeane.

Seither stammt die Masse der SST-Daten von Satellitenbeobachtungen. Instrumente wie das Moderate Resolution Imaging Spectroradiometer (MODIS) an Bord der NASA-Satelliten Terra und Aqua umrunden die Erde etwa 14 Mal pro Tag, was sie in die Lage versetzt, mehr SST-Daten innerhalb von 3 Monaten zu sammeln, als alle anderen SST-Messungen zusammen, die es vor dem Aufkommen der Satellitentechnologie gab. In Abhängigkeit vom jeweiligen Sensor liefern uns satellitenbasierte Messdaten im Abstand von wenigen Tagen bis zu einer Woche einen globalen Überblick über die globalen Meeresoberflächentemperaturen. Satellitensensoren sind gut geeignet, die SST zu messen, da sie aus einer synoptischen Perspektive regelmäßig Daten liefern, die eine hohe räumliche und radiometrische Auflösung besitzen.

Die Bewegung von elektrisch geladenen Teilchen erzeugt elektromagnetische Strahlung in verschiedenen Wellenlängen. Das elektromagnetische Spektrum umfasst den ganzen Bereich dieser Wellenlängen. Von den längsten bis zu den kürzesten Wellenlängen unterscheidet man Radiowellen, Mikrowellen, Infrarotwellen, den Bereich des sichtbaren Lichts, ultraviolette Strahlung, Röntgen- und Gammastrahlung. Der Ozean und die meisten anderen Objekte emittieren Strahlung im Bereich des Infrarots und der Mikrowellen. Die Amplituden dieser Wellenlängen variieren mit der Meerestemperatur und können daher für deren Messung herangezogen werden. Satellitensensoren können diese Bänder vom Weltall aus messen. Infrarotstrahlung kommt von den oberen 10 Mikron der Meeresoberfläche. Mikrowellenstrahlung entstammt der obersten 1 mm-Schicht. Im Vergleich zu Mikrowellensensoren haben satellitenbasierte Infrarotsensoren eine bessere räumliche Auflösung, sind aber anfälliger für Verunreinigungen durch Wolken. Dies liegt an der Absorption der vom Ozean emittierten Infrarotstrahlung durch die Wolken.

Heute gibt es neben den satelliten- und schiffsbasierten Messungen tausende von Treibbojen in den Ozeanen zur Messung von Temperatur und Salinität. Sie werden zur Validierung der Satelliteninstrumente verwendet und natürlich zur Beprobung der Wassersäule. Die Oberflächen-Treibbojen des Global Drifter Program (GDP) liefern regelmäßig pro Monat etwa 60.000 nächtliche SST-Messungen aus einer Tiefe von 0,2 m, was den umfangreichsten Beitrag zu den in situ-Messungen von SST, Salinität und Meeresströmungen darstellt.

Eine wichtige Errungenschaft bei der Verteilung der von Satellitensensoren abgeleiteten SST stellt das Projekt „Group for High Resolution Sea Surface Temperature” (GHRSST) dar. In dem Projekt werden alle SST-Datensätze in einem gängigen Format zur Verfügung gestellt, was den leichten Zugang von unterschiedlichen Computerplattformen aus ermöglicht. Zur Bereitstellung von Datensätzen, die zur Klimamodellierung geeignet sind, ist es erforderlich, dass die Aufzeichnungen der Klimadaten auch eine Beschreibung der Fehler auf Pixelbasis enthalten, die mit den SST-Werten einhergehen.

Die thermische Vertikalstruktur der obersten 10 m der Ozeane kann sehr komplex und höchst variabel sein. Der SST-Wert kann deutlich variieren, und zwar in Abhängigkeit von der vertikalen Position der Messung, des eingesetzten Sensortyps (unterschiedliche Eindringtiefen), der Tageszeit vor Ort und der lokalen Verhältnisse an der Schnittfläche Ozean/Atmosphäre. Solche Faktoren machen die Vermengung von verschiedenen Satellitendatensätzen und in situ-Datensätzen schwierig.

SST des europäischen Nordmeers in °C SST des europäischen Nordmeers in °C

Die Animation ist mit Daten der amerikanischen
Wettersatelliten aus der NOAA-Serie erstellt.

Zeitraum: Januar 2003 - Juni 2004


Zum Starten der Animation auf Grafik klicken

Quelle: BSH

Innerhalb der oberen Wasserschicht unterscheidet man folgende Partien:

newerSSTdef Die hypothetischen Vertikalprofile für die Temperatur der oberen 10 m an der Ozeanoberfläche

Rote Linie:
Zustand unter Starkwindbedingungen oder bei Nacht

Schwarze Linie:
Zustand bei schwachem Wind bei Tag

Quelle: GHRSST

Zu den Sensoren, die satellitengestützt die Meeresoberflächentemperatur messen, gehören AATSR, AMSR, ATSR, AVHRR, SEVIRI, TMI. Sie unterscheiden sich hinsichtlich ihrer geometrischen und temporalen Auflösung, sowie ihrer Allwetterfähigkeit.

Infrarotsensoren wie AVHRR besitzen allerdings nicht die Fähigkeit durch Wolken zu 'sehen'. Der TMI auf NASAs Tropical Rainfall Measuring Mission Satellit, war das erste gut kalibrierte Mikrowellenradiometer, das durch die Wolkendecke hindurch genaue SST-Messergebnisse erzielte. NASDAs AMSR-E auf dem NASA-Satelliten AQUA war dann das erste Mikrowellenradiometer, das diese Fähigkeit weltweit einsetzte.

Zwischen der Meeresoberflächentemperatur und der Meeresoberflächentopographie besteht keine direkte Beziehung, die es erlauben würde, den einen Wert in den anderen zu konvertieren. Obwohl eine Änderung der Meeresoberflächentemperatur eine Änderung der Meeresoberflächentopographie verursacht und dies nährungsweise berechnet werden kann, so kann doch die effektive Topographie nicht aus der Temperatur alleine abgeleitet werden. Die Meeresoberflächentemperatur repräsentiert die Temperatur in den oberen Zentimetern der Wassersäule, und die Temperatur kann sich mit zunehmender Tiefe dramatisch ändern. Hingegen bezieht die über die Altimetrie ermittelte Meeresoberflächenhöhe indirekt die Temperaturen aller Tiefen ein und zusätzlich andere Parameter wie Salinität und Meeresströmungen.

Die weltweiten Daten der Temperaturen unterhalb der Meeresoberfläche werden überwiegend von fest verankerten Bojen (moorings) und von Treibbojen (drifter) erhoben. Verankerte Bojen sind gut zur Erhebung von Zeitreihen für verschiedene Tiefen entlang der Wassersäule an einem durch Koordinaten definierten Ort. Die Mehrzahl der tieferen Temperaturmessungen werden von Treibbojen durchgeführt. Es gibt über 3.000 Drifter in den Weltmeeren. Drifter werden gewöhnlich an einer bestimmten Stelle ausgesetzt, wonach sie bis zu einer vorbestimmten Tiefe absinken, in der sie eine Zeitreihe von Temperaturmessungen erstellen während sie in dieser Tiefe mit der Strömung treiben.

Wenn an einer bestimmten Region oder Strecke Interesse besteht, können autonome Gleiter und/oder propellergetriebene Fahrzeuge zum Einsatz kommen. Sie tragen Rekorder zur Speicherung der Temperaturdaten, sowie Tiefen- und Salinitätssensoren, Uhren und GPS. Mit derartigen Fahrzeugen können Wissenschaftler bestimmte Routen für ihre Messungen planen.

Weitere Informationen:


Pfeil nach linksMeeresoberflächensalzgehalt (SSS)LupeIndexMeeresspiegelPfeil nach rechts