Lexikon der Fernerkundung

spektrale Signatur

Syn. Spektralsignatur; engl. spectral signature, franz. signature spectrale; das für ein Material oder ein Objekt in einem Bild charakteristische Frequenzmuster der Strahlung, die von dem Material oder Objekt reflektiert oder emittiert wird, somit eine Art "spektraler Fingerabdruck". Dieses unterschiedliche Verhalten verschiedener Landoberflächen gegenüber dem Sonnenlicht bzw. deren Eigenstrahlung wird von der Fernerkundungstechnik genutzt. Die "spektrale Signatur" wird benötigt, um verschiedene Objektarten voneinander abzugrenzen und die jeweiligen Objektarten zu identifizieren. Es ist üblich, den Reflexionsgrad graphisch, als Funktion der Wellenlänge darzustellen.

Einige Wellen werden von atmosphärischen Bestandteilen wie Wasserdampf und Kohlendioxid absorbiert oder reflektiert, während sich andere Wellenlängen ungehindert durch die Atmosphäre bewegen können; sichtbares Licht hat Wellenlängen, die durch die Atmosphäre übertragen werden können. Mikrowellenenergie hat Wellenlängen, die Wolken durchdringen können, eine Eigenschaft, die von vielen Wetter- und Kommunikationssatelliten genutzt wird.

Die Hauptquelle der von den Satelliten beobachteten Energie ist die Sonne. Die Menge der reflektierten Sonnenenergie hängt von der Rauheit der Oberfläche und ihrer Albedo ab, d. h. davon, wie gut eine Oberfläche Licht reflektiert, anstatt es zu absorbieren. Schnee zum Beispiel hat eine sehr hohe Albedo und reflektiert bis zu 90 % der einfallenden Sonnenstrahlung. Der Ozean hingegen reflektiert nur etwa 6 % der einfallenden Sonnenstrahlung und absorbiert den Rest. Wenn Energie absorbiert wird, wird sie oft wieder emittiert, meist bei längeren Wellenlängen. Die vom Ozean absorbierte Energie wird zum Beispiel als Infrarotstrahlung wieder emittiert.

Alle Dinge auf der Erde reflektieren, absorbieren oder übertragen Energie, deren Menge je nach Wellenlänge variiert. So wie Ihr Fingerabdruck einzigartig ist, hat alles auf der Erde einen einzigartigen spektralen Fingerabdruck. Forscher können diese Informationen nutzen, um verschiedene Merkmale an der Erdoberfläche sowie verschiedene Gesteins- und Mineralienarten zu identifizieren. Die Anzahl der Spektralbänder, die ein bestimmtes Instrument erfasst, seine spektrale Auflösung, bestimmt, wie sehr ein Forscher zwischen verschiedenen Materialien unterscheiden kann.

Die Kenntnisse über das Reflexions- bzw. das Absorptionsverhalten bestimmter Objekte verwendet man um multispektral aufgenommene Bilder zu klassifizieren.

Spektrale Signaturen verschiedener Erdmerkmale im Spektrum des sichtbaren Lichts

Spektrale Signaturen verschiedener Erdmerkmale im Spektrum des sichtbaren Lichts

Quelle: NASA

Die Reflexion des kahlen Bodens nimmt vom sichtbaren zum Infrarot-Bereich des elektromagnetischen Spektrums leicht zu. Zwischen den unterschiedlichen Bodentypen und zwischen trockener oder nasser Erde gibt es große Unterschiede. Auch die unterschiedliche mineralische Zusammensetzung der Oberflächen ist in der Durchschnittskurve für kahlen Erdboden gezeigt. Wasser reflektiert Strahlung normalerweise nur im sichtbaren Bereich, sauberes Wasser besonders im Bereich blauen Lichts. Gleichzeitig absorbiert es stark im roten Licht und nahezu total im mittleren und fernen Infrarot.

Da im nahen Infrarotbereich fast gar keine Strahlung abgegeben wird, lässt sich Wasser eindeutig von anderen Oberflächen unterscheiden. In Bildern, die im nahen Infrarotbereich aufgezeichnet werden, erscheinen Wasseroberflächen als dunkle Flecken (niedrige Pixelwerte).

Reflexionsvermögen von Eisen- und Kupfermineralien

Reflexionsvermögen von Eisen- und Kupfermineralien

So wie Eisen und Kupfer im sichtbaren Licht unterschiedlich aussehen, reflektieren eisen- und kupferhaltige Minerale im Infrarotspektrum unterschiedlich viel Licht. In diesem Diagramm wird das Reflexionsvermögen von Hämatit (einem Eisenerz) mit Malachit und Chrysokoll (kupferhaltigen Mineralien) im Bereich von 200 bis 3.000 Nanometern verglichen.

Quelle: NASA

Spektrale Signaturen grüner Pflanzen

Wechselwirkungen zwischen reflektierter, absorbierter und übertragener Energie können mit Hilfe von Fernerkundung aufgespürt werden. Die Unterschiede in Blattfarbe, Textur, Form oder sogar wie die Blätter mit den Pflanzen verbunden sind, bestimmen darüber, wie viel Energie reflektiert, absorbiert oder übertragen wird.

Die spektrale Signatur grüner Pflanzen ist unverwechselbar. Das Chlorophyll in wachsenden Pflanzen absorbiert sichtbares und insbesondere rotes Licht für die Photosynthese. Grünes Licht und Licht aus dem nahen Infrarotbereich wird hingegen reflektiert, da die Pflanze hierfür keine Verwendung hat. Die Pflanze vermeidet so eine unnötige Erwärmung und den Verlust ihres Saftes durch Verdunstung. Aufgrund ihres Wassergehalts weist grüne Vegetation auch eine starke Absorption im Bereich des mittleren Infrarots auf. Diese Kenntnis verwendet man um multispektral aufgenommene Bilddaten zu klassifizieren.

Die Beziehung zwischen reflektierter, absorbierter und übertragener Energie wird verwendet um die spektralen Signaturen von individuellen Pflanzen zu bestimmen. Spektrale Signaturen sind einzigartig für die verschiedenen Pflanzenarten. Es ist ein etabliertes Verfahren in der Fernerkundung, gestresste Pflanzen in einem Bestand dadurch zu identifizieren, dass man zunächst die spektrale Signatur von gesunden Pflanzen genau bestimmt. Die Signatur gestresster Pflanzen zeigt dann eine davon abweichende spektrale Signatur.

Zwischen der Reflexion im nahen Infrarotbereich und in den sichtbaren Bereichen des Spektrums besteht ein großer Unterschied. Aus dem Umfang dieses Unterschiedes lässt sich ablesen, welcher Flächenanteil mit wachsenden grünen Blättern bedeckt ist (Blättflächenindex). Teilweise kann durch die spektrale Signatur auch auf den speziellen Zustand der Bodenbedeckungsart geschlossen werden (z.B. Vegetationsschäden).

Spektrale Signaturen von Nutzpflanzen und Boden spektrale_signatur_1

Quelle: Auracle Geospatial Science

Beispiel Zuckerrübe

Zuckerrüben haben einen höheren Reflektanzwert im sichtbaren Bereich des Spektrums von 400 - 700 nm (Abb. unten). Dieses Muster kehrt sich um im nicht-sichtbaren Bereich von ca. 750 - 1200 nm. Das Muster aus dem sichtbaren Bereich wiederholt sich im Bereich von 1300 - 2400 nm. Die Interpretation der Reflektanzwerte in verschiedenen Wellenlängenbereichen kann so herangezogen werden, um die Pflanzengesundheit zu beurteilen.

Spektrale Signaturen von
gesunden und gestressten Zuckerrüben. spektrale_signatur_2Quelle: Auracle Geospatial Science

Vegetationsindizes

Zur Bestimmung der aktuell in einer Region vorhandenen Biomasse benutzt man die spektrale Signatur von Vegetation und berechnet den sog. Vegetationsindex. Dies ist die Differenz der Pixelhelligkeit im nahen Infrarot (NIR) und im roten Licht (R). Hohe Werte bedeuten dabei viel Biomasse, niedrige Werte wenig Biomasse. Dividiert man diese Größe noch durch die Summe der beiden (NIR-R) / (NIR+R) dann resultiert der Normierte Differentielle Vegetationsindex NDVI. Aus der zeitlichen Veränderung der Biomasse lassen sich Ernteabschätzungen treffen, jahreszeitliche Variationen erfassen und durch langfristige Zeitreihen auch Rückschlüsse auf Klimaverschiebungen ziehen. NDVI-Karten werden von vielen Organisationen berechnet und im Netz zugreifbar gemacht. Das WDC am DFD berechnet täglich eine NDVI-Europakarte sowie Wochen- und Monatsmittel im 1 km Raster. Die amerikanische Wetterbehörde NOAA stellt globale Daten zur Verfügung:

Da die beobachteten Materialien, u.a. bedingt durch die geometrische Auflösung, nie in reiner Form vorkommen, überlagern sich die Signaturen zu Mischsignaturen. Weiterhin wird die spektrale Signatur durch die Aufnahmebedingungen (Feuchtigkeit, atmosphärische Verhältnisse, Beleuchtung, Relief) beeinflußt, so dass sie durch Trainingsgebiete anhand der jeweiligen Aufnahme im Rahmen multispektraler Landnutzungsklassifikationen bestimmt werden muß. Je höher die spektrale Auflösung, um so besser sind Materialien unterscheidbar.


Pfeil nach linksspektrale EmpfindlichkeitLupeIndexspektrale StrahlungstemperaturPfeil nach rechts