Schwerefeld der Erde
Jeder Stern und jeder Planet erzeugt ein Schwerkraft- oder Schwerefeld. Mit seiner anziehenden Kraft sorgt es dafür, dass die Erde um die Sonne und der Mond um die Erde fliegen, und es ist ebenso dafür verantwortlich, dass Mensch und Tier an der Erdoberfläche bleiben. Wäre die Erde eine perfekte Kugel, so wäre das Schwerkraftfeld um unseren Planeten herum völlig symmetrisch und würde von der Erde weg in allen Richtungen gleichermaßen abnehmen. Das ist jedoch nicht der Fall.
Einerseits entsteht durch die Rotation unseres Planeten um die eigene Achse eine Fliehkraft. Sie ist am Äquator am stärksten und nimmt zu den Polen hin bis auf null ab. Daher zieht die Fliehkraft unseren Planeten auseinander, und die Erde gleicht eher einem Rugbyball oder Ellipsoid: Der Durchmesser am Äquator ist um 21 Kilometer größer als von Pol zu Pol. An den Polen ist die Anziehung um ca. 1/200 größer als am Äquator – aufgrund der Abplattung der Erde und der am Pol wegfallenden Fliehkraft. Dies bewirkt, dass ein normalgewichtiger Mensch am Pol etwa 350 Gramm mehr wiegt als am Äquator. Wäre die Erde ansonsten gleichmäßig aufgebaut, wäre das Ellipsoid auch die exakte Form des Meeresspiegels – des Geoids.
Darüber hinaus gibt es auch auf kleineren Skalen Abweichungen von einem perfekten Ellipsoid, zum Beispiel durch Gebirge und Tiefseerinnen. Diese ungleichmäßige Topographie äußert sich in entsprechenden Unregelmäßigkeiten im äußeren Schwerefeld. Zudem ist auch das Erdinnere nicht gleichförmig aufgebaut. Es gibt Bereiche aus sehr dichtem und schwerem Gestein. Dort herrscht eine stärkere Erdanziehungskraft. An anderen Stellen ist das Krustenmaterial leichter, dort ist das Erdschwerefeld geringer. Solche so genannten Anomalien entstehen zum Beispiel in Bereichen, wo Kontinentalplatten aufeinander stoßen oder voneinander wegdriften.
Auch kleinere Effekte wie die Gezeiten (Anziehung durch Mond und Sonne) spielen eine Rolle.
Diese Unregelmäßigkeiten des Erdkörpers spiegeln sich unmittelbar in der Struktur des Schwerefeldes wider. Die zusätzlichen Abweichungen wirken sich in der Schwerkraft bis zu 0,01 % aus, in der Lotrichtung bis 0,01° und im Geoid bis 100 Meter. Stellt man das Feld in einer räumlichen Karte dar, so sieht die Erde wie eine Kartoffel aus. Für Geophysiker ist ein „Schwerefeldatlas“ ebenso wertvoll wie eine topographische Karte für Landvermesser. Er enthält eine Fülle von Informationen.
Erdfigur 1: Kugel → Ellipsoid
Wenn wir die Erde als Ellipsoid (das durch die Erdrotation entsteht) approximierten, würden wir feststellen, dass die Schwerebeschleunigung überall auf der Erde verschieden ist. Durch die Erdrotation ist die Figur der Erde keine Kugel, sondern an den beiden Polen abgeplattet und hat dort eine jeweils ca. 10 km zum Erdmittelpunkt hin geringere Distanz als am Äquator, wo der Radius 10 km länger als der mittlere Radius ist. Somit hat die Erde eine leichte Ellipsoidform und ist keine Kugel. So beträgt z.B. der Wert von g am Äquator 9,81 m/s², hat jedoch an den Polen einen Wert von 9,83 m/s². Der Wert wächst also kontinuierlich, insgesamt um 2 Promille (1% = 10 Promille). Ein Beispiel: Eine Waage, die am Äquator 70 kg anzeigt, zeigt demnach am Pol 140 g mehr an. Quelle: GFZ Potsdam |
Erdfigur 2: Ellipsoid → Geoid
Die Masse auf unserem Planeten ist nicht gleichmäßig verteilt. So wird die Gleichgewichtsfläche (Äquipotentialfläche) deformiert. Die entstehende Figur der Erde mit unregelmäßiger Oberfläche wird Geoid genannt. |
Außerhalb der Erde ist das Schwerefeld der Kugelfom angenähert, da der gravitative Effekt die anderen bei weitem überwiegt. Die Abweichungen liegen nur im Promille-Bereich und beeinflussen erdnahe Satellitenbahnen auf einige Kilometer bzw. Zehntelgrad pro Stunde.
Das Erdschwerefeld hat seinen höchsten Wert an der Erdoberfläche. Im Inneren der Erde nimmt das Schwerefeld mit dem Abstand vom Erdmittelpunkt annähernd linear ab. Am Erdmittelpunkt selbst ist das Schwerefeld Null, es herrscht Schwerelosigkeit.
Satelliten bieten die einzige Möglichkeit, das gesamte Schwerkraftfeld der Erde einheitlich zu vermessen. Das funktioniert nach folgendem Prinzip: Der Satellit umkreist die Erde auf einer festen Bahn, auf der sich die zur Erde gerichtete Schwerkraft und die nach außen gerichtete Fliehkraft genau die Waage halten. In einem vollkommen symmetrischen Schwerefeld würde sich der Satellit auf einer Ellipsen- oder Kreisbahn bewegen. Überfliegt er aber eine „Beule“ oder „Delle“ im Schwerefeld, so ergeht es ihm ähnlich wie einem Surfer im Meer: Er fliegt auf einer leichten Wellenbahn. Im Bereich stärkerer Schwerkraft, wird er beschleunigt und steigt hoch, über einem Gebiet mit schwächerer Schwerkraft wird er langsamer und sinkt ab. Verfolgt man die Bahn des Satelliten exakt, so lässt sich aus den Bahnschwankungen das Erdschwerefeld rekonstruieren.
Mit den drei Schwerefeldsatellitenmissionen CHAMP, GRACE und GOCE ist ein Qualitätssprung hinsichtlich Genauigkeit, Auflösung und globaler Überdeckung zu erwarten, bzw. schon eingetreten. Von den drei Missionen wird GOCE die höchste räumliche Auflösung erreichen und Strukturen ab ca. 70 km Größe erfassen können. GRACE hingegen zielt eher auf die Messung von zeitlichen Variationen im Schwerefeld.
Damit wird die Einbeziehung von Schwerefeldinformation auch für eine wachsende Zahl von geowissenschaftlichen Anwendungen interessant werden. Die Beschreibung der Lithosphärenstruktur durch die Kombination von seismischen Ergebnissen mit Schwerefelddaten ist ein gutes Beispiel. Vor allem aber werden die wichtigsten physikalischen Bezugsflächen, Geoid und Meeresoberfläche, durch das Erdschwerefeld festgelegt bzw. wesentlich davon beeinflusst. Das Geoid ist die Fläche, die genähert mit dem mittleren Meeresspiegel übereinstimmt und auf der das Erdschwerepotential konstant ist. Das Schwerefeld ändert sich wegen Massenverlagerungen innerhalb des Erdsystems (z. B. Tektonik, Atmosphäre, Ozeane, Grundwasser) und muss deshalb zeitabhängig behandelt werden. Die Kenntnis des Schwerefeldes ist auch für die Geophysik und Raumfahrt wichtig. Die Variation der Meeresoberfläche hat für die Ozeanographie und Erforschung des globalen Wandels große Bedeutung. Sie führt aber auch dazu, dass die Höhensysteme verschiedener Länder ein unterschiedliches Niveau haben.
Neue Schwerefeldmissionen, etablierte Raumbeobachtungsverfahren sowie die Satellitenaltimetrie, die präzise Punktpositionierung durch GPS sowie traditionelle Registrierungen von Pegeln müssen kombiniert werden, um die Beziehungen zwischen Geoid und Meeresspiegel zu präzisieren.
Weitere Informationen:
- Das Potsdamer Geoid. (P. Schwintzer und Ch. Reigber, GFZ; in: SuW 8/2002)
- Das Schwerefeld der Erde. (Ch. Reigber und P. Schwintzer, GFZ: in: PiuZ 5/2003)
- Vermessung des Erdschwerefeld mit Satelliten. Beitrag von Christoph Förste, GFZ (System Erde. GFZ-Journal 1/2013)
- Gravity, Magnetic Field and Geodynamic Instruments (The Earth Observation Handbook Rio+20)