Lexikon der Fernerkundung

System Erde

Engl. earth system; Konzept, das die Erde als einheitliches System mit interagierenden Bestandteilen versteht und fünf Sphären (oder Subsysteme): Geosphäre, Hydrosphäre (einschließlich der Kryosphäre), Atmosphäre, Biosphäre und Anthroposphäre umfasst. Der zentrale Ansatz der Erdsystemforschung besteht darin, die Material- und Energieflüsse zwischen diesen Sphären in einem integrativen Ansatz zu betrachten. Die Rückkopplungen und Wechselwirkungen zwischen den Subsystemen zeigen charakteristische Eigenschaften komplexer Systeme. Sie haben auf der Erde Bedingungen geschaffen, die die Entwicklung von Leben auf unserem Planeten im Verlauf von Milliarden Jahren ermöglichten. Das System schließt auch die natürlichen Kreisläufe ein, die des Kohlenstoffs, des Wassers, Stickstoffs, Phosphors, Schwefel und anderen.

Auch die Prozesse im Erdinneren gehören dazu. Natürlich ist auch das Leben in allen Formen ein wesentlicher Bestandteil des Erdsystems. Leben beeinflusst die genannten und weitere Kreisläufe sowie Prozesse. Zum System Erde gehört auch die menschliche Gesellschaft, unsere sozialen und ökonomischen Systeme sind darin eingebettet. In vielerlei Hinsicht sind die menschlichen Systeme wesentliche Motoren bei Veränderungen des Systems Erde.

Der Begriff Globaler Wandel bezieht sich auf erdweite Änderungen im System Erde. Davon betroffen sind: Atmosphärische Zirkulation, Meereszirkulation, Klima, die genannten und weitere Kreisläufe, Meereis- und Meeresspiegelveränderungen, Nahrungsnetze, Biodiversität, Umweltverschmutzung, Gesundheit, Fischbestände und weiteres.
Zu den zivilisationsbedingten Motoren des globalen Wandels gehören Bevölkerung, Wirtschaft, Rohstoffverbrauch, Energie, Erschließungsmaßnahmen, Transport, Kommunikation, Landnutzung und -bedeckung, Urbanisierung, Globalisierung.

Das Erdsystem und seine Wechselwirkungen

Kompartimente des Erdsystems vom Erdkern bis zur oberen Atmosphäre und dem Strahlungsgürtel. Die Pfeile zeigen den Transfer von Masse, Wärme und Strahlung oder Kräfte zwischen den Kompartimenten. Pfeile in beide Richtungen bedeuten, dass die Kompartimente durch Rückkopplungen miteinander verbunden sind. Pfeile, die nur in eine Richtung führen, stehen für externe Antriebe, die auf das Kompartiment einwirken, d. h. die Eigenschaften des Systems reagieren auf den Einfluss, ohne dass die Einflussquelle selbst beeinflusst wird.

Das Erdsystem umfasst dabei ein gewaltiges Spektrum von Zeitskalen: von Milliarden Jahren für den Erdmantel bis hin zu Jahren oder weniger für Gase in der Atmosphäre. Antriebe durch menschliche Aktivitäten sind auf der rechten Seite dargestellt. Die moderne Systemtheorie besagt, dass das menschliche Verhalten durch Rückkopplungen mit dem Erdsystem beeinflusst wird. Diese Wechselwirkung ist in der folgenden Grafik dargestellt.

Das Erdsystem und seine Wechselwirkungen System_Erde Quelle: Erdsystemwissenschaft (Leopoldina)

Digitale Zwillinge der Erde

Digitale Zwillinge sind detailgenaue Virtualisierungen physischer Objekte und Systeme. Im Rahmen der Erdsystemwissenschaft werden digitale Zwillinge die Entwicklung von Szenarien für künftige Zustände und Veränderungen des Erdsystems, die Einschätzung der möglichen Resultate und Risiken vorgeschlagener Maßnahmen und die Erarbeitung von Optionen für nachhaltige Pfade ermöglichen. Das Konzept der digitalen Zwillinge gewinnt in der Geowissenschaftzunehmend an Bedeutung, insbesondere als Möglichkeit der intuitiven Bündelungvon und des einfachen Zugriffs auf Umweltdaten, -modelle und -simulationen.

Ein gut konstruierter digitaler Zwilling der Erde wird es einem breiteren Nutzerkreis ermöglichen, mit digitalen Ressourcen zu interagieren, um gegenwärtige und künftige Szenarien zu erforschen, insbesondere in Bezug auf die Interaktion des Menschen mit dem Erdsystem. Die Entwicklung eines digitalen Zwillings der Erde erfordert internationales Engagement und entsprechende Ressourcen, denn die massive Generierung numerischer Daten sowie deren Verarbeitung und Speicherung ist eine Aufgabe, die nur mit internationalen Bemühungen zu bewältigen ist.

Das Ergebnis wird es den Nutzern ermöglichen, eine Familie von anwendungsorientierten digitalen Zwillingen zu schaffen, die gemeinsam Zugriff auf eine Vielzahl von Erdsystemdaten, Vorhersagesystemen und Prognosen hätten. Da im gesamten „digitalen Ökosystem“ der Erde immer mehr digitale Zwillinge entstehen werden, ist es von entscheidender Bedeutung, dass man einen Rahmen schafft, der ihre Interoperabilität gewährleistet.

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