Lexikon der Fernerkundung

Meereis und Fernerkundung

Meereis ist gefrorenes Meerwasser, das auf der Meeresoberfläche schwimmt. Es bildet sich beim Gefrieren von Meerwasser; Teile können allerdings auch von Flusseis oder vom Inlandeis stammen. Weil Meereis weniger dicht als Meerwasser ist, treibt es auf dem Ozean. Bei seiner Bildung im Meer gibt es sein Salz zum überwiegenden Teil an den Ozean ab, wodurch es seine geringe Dichte erlangt. Da sich das meiste Meereis aus dem vorhandenen Meerwasser bildet, steigt der Meeresspiegel nicht, wenn es schmilzt. Es sind vor allem Dichteunterschiede im Wasser, die neben dem Wind die Meeresströmungen und die Umwälzung der Ozeane antreiben (thermohaline Zirkulation). Meerwasser wird dabei dichter, wenn sein Salzgehalt zunimmt und/oder seine Temperatur sinkt.(s. Meereis und Ozean)

Das Meereis, das unseren Planeten umgibt, wächst und schwindet mit den polaren Jahreszeiten. Im arktischen Winter streckt das Meereis seine Tentakel in entlegene Meere und Küstengebiete. Da die Arktis durch Land begrenzt ist, kann das Meereis nur bis zu einer bestimmten Grenze vordringen. Im Gegensatz dazu umgibt das antarktische Meereis eine riesige Landmasse und wächst so weit, wie es die winterlichen Gefriertemperaturen zulassen. Im Frühjahr schrumpft die Ausdehnung des Meereises in der Arktis, wobei ein Großteil des Eises bestehen bleibt, während fast das gesamte Meereis des Südlichen Ozeans "saisonales Eis" ist, d. h. es schmilzt und bildet sich jährlich neu.

Meereis kommt außerhalb der Polargebiete saisonal unter anderem in der Ostsee, in skandinavischen Fjorden, im Sankt-Lorenz-Golf oder dem Ochotskischen Meer vor. Etwa 6,5 % der Weltmeere sind im Jahresmittel von Meereis bedeckt, das entspricht einer Fläche von 22,5 Millionen km².

Meereis spielt eine entscheidende Rolle im Klimasystem der Erde (s. Meereis und Atmosphäre). Das helle Eis reflektiert mehr Wärmestrahlung zurück in den Weltraum als das dunkle Meer, welches die Wärme stärker absorbiert. Je weniger Eis die Wasseroberfläche bedeckt, desto mehr Wärme wird im Meer aufgenommen. Diese zusätzliche Wärme wiederum führt dazu, dass noch mehr Eis schmilzt und immer größere dunkle Wasserflächen entstehen, die mehr Wärme aufnehmen und den Rückgang des Meereises immer weiter beschleunigen – diese Eis-Albedo-Rückkopplung ist Teil der polaren Verstärkung. Meereis hat auch erheblichen Einfluss auf Meeresströmungen, also darauf, wie sich Wassermassen in den Ozeanen über die Erde bewegen. (s. Meereis und Strahlungsbilanz)

Polare Meereiskonzentrationen im jahreszeitlichen Wandel Polare Meereiskonzentrationen* im jahreszeitlichen Wandel

Diese Bilder verwenden von Satelliten abgeleitete Daten zur Meereiskonzentration, um das durchschnittliche Minimum und Maximum des Meereises im März und September 2020 für die Arktis und Antarktis im Vergleich zum Durchschnitt der Jahre 1981 bis 2010 darzustellen. Die Jahreszeiten sind in der nördlichen und südlichen Hemisphäre entgegengesetzt: Der Norden erreicht sein Sommerminimum im September, während der Süden sein Sommerminimum etwa im März erreicht. Dunkleres Blau steht für eine geringere Meereiskonzentration und Weiß für eine höhere Meereiskonzentration.

*Die aus Satellitenbeobachtungen abgeleiteten Meereisprodukte liegen in der Regel in Form von Rasterfeldern vor. Rasterzellen, die ein bestimmtes Gebiet repräsentieren (z. B. 25 × 25 km), wird ein bestimmter Prozentsatz (oder eine Konzentration) zugewiesen, der den Anteil der mit Meereis bedeckten Fläche der Zelle angibt.

Quelle: NSIDC

Über folgenden Link zum MEEREISPORTAL kann man Karten zur Meereiskonzentration in der Arktis und der Antarktis einsehen und dabei selbst die Zeiträume bestimmen, die besonders interessieren. Die ausgewählten Karten können auch heruntergeladen und unter Angabe der Quelle weiterverwendet werden. Die Darstellung beruht auf qualitätsgeprüften Daten.

Im MEEREISPORTAL finden Sie auch einen Überblick zu den Unterschieden von Meereis und Schelfeis von Arktis und Antarktis.

Monitoring des Meereises

Aktuelle, präzise und vollständige Beobachtungsdaten über den Zustand des Meereises werden in der Forschung mit verschiedensten Methoden und Technologien erhoben. Jede hat dabei ihre eigenen Stärken und Schwächen. Doch zusammen ergeben sie ein gutes wissenschaftliches Bild der Meereisbedeckung. Die Fernerkundung mit Satellitensensoren im Mikrowellenbereich ist dabei die einzige Möglichkeit, globale Informationen über die Meereisbedeckung zu erlangen, und dies nahezu unabhängig von Licht und Wolkenbedeckung.

Beobachtungsdaten liefern so die unverzichtbare Basis für alle mit dem Thema Meereis verbundenen Forschungszweige – von der Meereisphysik bis zur mathematischen Meereismodellierung, mit der belastbare Zukunftsprognosen möglich sind.

Die Methoden lassen sich gruppieren nach

Wichtige Parameter

Die Satellitenaltimetrie hat es ermöglicht, kontinuierlich Schätzungen der Meereisdicke und des Meereisvolumens über dem gesamten arktischen Becken zu erhalten, angefangen mit dem Radaraltimeter CryoSat-2 der ESA, das 2010 gestartet wurde. Im Jahr 2018 folgte der Start des NASA-Laseraltimeters ICESat-2. Somit gibt es jetzt zwei unabhängige, auf Altimetrie basierende Schätzungen von Dicke und Volumen. Stichprobenartig erfolgen Messungen von der Oberfläche aus oder unterseeisch mit Sonar.

Messgrößen im Kontext von MeereisdickeMessgrößen im Kontext von Meereisdicke Quelle: MEEREISPORTAL (AWI)

Aber die Meereisdicke bleibt einer der derzeit am schwierigsten flächendeckend zu messenden Meereisparameter; es gibt derzeit (noch) keine flächendeckenden, lang- und ganzjährigen Datensätze der Meereisdicke auf Basis von Beobachtungen. Daten basieren auf Satelliten-Altimetrie (Ableitung der Meereisdicke aus der Freibordhöhe des Meereises, d. h. den Teil der über das Wasser ragt), Satelliten-Radiometrie (Ableitung der Meereisdicke über die physikalische Beziehung zwischen Dicke, Salzgehalt, Temperatur und Emissivität), Luftfahrzeug-gestützte Systeme (diese ermitteln die kombinierte Dicke aus Meereis + Schneeauflage), Unterwassermessungen (Ableitung der Meereisdicke aus dem Tiefgang des Meereises, d. h. dem Teil der ins Wasser eintaucht), sowie vor Ort Messungen (Eiskernbohrungen). Eisdicken werden in der Regel in m angegeben.

Forschungsflugzeuge vom Alfred-Wegener-Institut sind seit mehr als 30 Jahren verwendet worden, um den eisbedeckten arktischen Ozean zu untersuchen. 40.000 km Messstrecke belegen den erheblichen Verlust an Meereisdicke infolge des Klimawandels. Diese ist weltweit die einzige flugzeug- und hubschrauberbasierte Messreihe, die über so einen langen Zeitraum in der Arktis durchgeführt wurde.

Verschiedene Methoden zur Bestimmung der MeereisdickeVerschiedene Methoden zur Bestimmung der Meereisdicke Quelle: MEEREISPORTAL (AWI)

Eine speziell für die Messung der Meereisdicke entwickelte Schleppsonde (der EM-Bird) befindet sich bei Start und Landung direkt unter dem Rumpf des Flugzeugs. Im Zielgebiet angekommen wird der Sensor mit einer Winde herabgelassen und in einer Höhe von etwa 15 Metern über dem Eis geflogen. Der EM-Bird ist ein Sensor zur Bestimmung der Dicke des Meereises mit Helikoptern und Flugzeugen. Basierend auf dem aerogeophysikalischen elektromagnetischen (EM) Induktionsverfahren, wird die Dicke des Meereises bestimmt durch die Untersuchung der elektrischen Leitfähigkeit des Untergrundes. Dabei wird der starke Kontrast der elektrischen Leitfähigkeit von Meereis und Meerwasser verwendet die Höhe des Gerätes über der Eisunterseite zu bestimmen. Mit einem zusätzlichen Laserabstandsmesser wird der Abstand zur Eisoberseite gemessen und aus der Differenz der beiden Abstände ergibt sich die Dicke des Meereises und der Schneeauflage. (Messungen aus der Luft)

Messung der Meereisdicke aus der Luft Messung der Meereisdicke aus der Luft

Das Forschungsflugzeug Polar 5 / Polar 6 und die Sensoren, die zur Bestimmung der Meereisdicke und Eisoberflächeneigenschaften (Schmelztümpelvorkommen, Schneedicke und Oberflächenrauigkeit) eingesetzt werden.

Quelle: MEEREISPORTAL (AWI)

Zur Verifizierung der Satellitendaten werden Eisschollen auch direkt vermessen. Man verwendet hierzu vom Schiff oder von Hand geschleppte Sensoren, Eisbohrungen und einen Zollstock. Auch terrestrische Laserscanner sowie ferngesteuerte Unterwasserfahrzeuge (remotely operated underwater vehicle, ROV) kommen zum Einsatz. Solche Verfahren werden durch autonome Messungen (u.a. Massenbilanzbojen, Schneebilanzbojen, Thermistorbojen) ergänzt.

Meereisbedeckung

Die Meereisbedeckung wird seit über 30 Jahren aus Satellitendaten bestimmt. Angegeben wird sie in der Regel als Meereisausdehnung („sea ice extent“), als Meereisfläche in Quadratkilometern („sea ice area“) oder als Meereiskonzentration. Die Eiskonzentration wird üblicherweise in Prozent (0 bis 1 bzw. 0 bis 100 %), oder manchmal in Zehnteln (0/10 bis 10/10) angegeben. Der Wert 0 bedeutet, dass kein Eis vorhanden ist, während der Wert 100 (beziehungsweise 1 oder 10) eine vollständig eisbedeckte Fläche kennzeichnet.

Berechnung von Meereisausdehnung und -eisfläche aus Satellitenmessungen Berechnung von Meereisausdehnung und Meereisfläche aus Satellitenmessungen Quelle: MEEREISPORTAL (AWI)

Meereisausdehnung (sea ice extent) und Meereisfläche (sea ice area) sind verschiedene Größen und geben unterschiedliche Informationen:
Die Meereisausdehnung ist dabei immer größer als die Meereisfläche. Je nach Verwendung gibt es Vor- und Nachteile für die Nutzung beider Größen. Zur Veranschaulichung des Unterschiedes kann man sich das Bild einer Scheibe Schweizer Käses zur Hilfe nehmen. Die Meereisausdehnung wäre dabei dann das Maß des äußeren Rands der Käsescheibe inklusive aller darin vorhandenen Löcher. Die Fläche hingegen wäre das Maß, wo sich nur Käse befindet, das heißt die Löcher sind nicht enthalten.

Die Meereisausdehnung definiert eine Region nur als „eisbedeckt“ oder „nicht eisbedeckt“. Dabei wird für jede Datenzelle der Satellitenmessungen anhand eines Grenzwertes entschieden, in welche Kategorie die gemessene Zelle fällt. Ein weit verbreiteter Grenzwert sind 15 Prozent. Das heißt, wenn die Datenzelle eine Meereiskonzentration größer als 15 Prozent besitzt, wird sie als „eisbedeckt“ eingestuft. Ist die Meereiskonzentration kleiner als 15 Prozent ist sie „eisfrei“. Dabei ist die Meereiskante eine Bezeichnung für die Grenze, an welcher die Meereiskonzentration auf unter 15 Prozent gesunken ist.

Die Meereisfläche ist hingegen die Summe der Flächeninhalte aller mit Meereis bedeckten Gitterzellen, gewichtet mit dem jeweiligen Anteil Meereis. Damit hat die aktuelle Meereiskonzentration einen Einfluß auf den berechneten Wert der Meereisfläche; eine im Mittel eher offene Meereisdecke wird in einer kleineren Meereisfläche resultieren als eine kompakte Meereisdecke. Verschiedenste Untersuchungen der nahen Vergangenheit haben gezeigt, dass die Meereisfläche höchstwahrscheinlich ein wesentlich aussagekräftigerer Parameter als die Meereisausdehnung ist wenn es um die Beobachtung und Quantifizierung der tatsächliche vorhandenen Menge Meereises geht.

Satellitenfernerkundung des Meereises

Im Schnitt rund sieben Prozent der gesamten Ozeanfläche des Planeten sind mit Meereis bedeckt. Beobachtungen auf Schiffen oder aus der Luft mithilfe von Flugzeugen können angesichts einer so gigantischen Fläche nur kleine Ausschnitte des Gesamtbildes liefern. Will man sich also einen möglichst kompletten Überblick verschaffen, muss man viel höher hinaus. Dies wird von einer ganzen Reihe von Erdbeobachtungssatelliten geleistet. Unter Verwendung der elektromagnetischen Strahlung nutzen sie verschiedene Messverfahren, die alle ihre ganz eigenen Stärken und Schwächen haben.

Schema der Messbereiche von Satelliten in Abhängigkeit der Wellenlänge Schema der Messbereiche von Satelliten in Abhängigkeit der Wellenlänge Quelle: MEEREISPORTAL (AWI)

Die Bereiche des elektromagnetischen Spektrums, die zur Satellitenfernerkundung von Ozean und Meereis verwendet werden, sind

In anderen Spektralbereichen wie UV (200 nm - 400 nm) oder langwelligem Infrarot ist die Atmosphäre nicht transparent genug, um die Erdoberfläche vom Satelliten aus „sehen“ zu können.

Drei prinzipielle Messmethoden für Ozean- und Meereisbeobachtungen durch Satelliten:
Messmethode Sensorik / Missionen
Messungen der ankommenden Sonnenstrahlung, die an der Erdoberfläche (d. h. Ozean oder Meereis) reflektiert wird (sichtbares Licht und naher Infrarotbereich) passive Sensoren für sichtbares Licht und Infrarotstrahlung wie MODIS, AVHRR, Sentinel-2, Sentinel-3, Landsat-Instrumente
Messungen der natürlichen thermischen Strahlung der Erdoberfläche (thermischer Infrarotbereich und Mikrowellenstrahlung) passive Mikrowellensensoren (Radiometer) wie ESMR, SMMR, SSM/I und AMSR-E/AMSR2, SMOS, künftig AMSR3 auf GOSAT-GW, Copernicus Imaging Microwave Radiometer (CIMR)
Messungen des Signals, das von einer aktiven Quelle ausgestrahlt und dann von der Oberfläche zurückgeworfen (gestreut, reflektiert) wird. Die aktive Quelle ist zum Beispiel die Antenne eines Radars, die Mikrowellen ausstrahlt, oder auch ein Laser, der sichtbares Licht oder nahes Infrarot ausstrahlt. aktive Sensoren für sichtbares Licht (Laseraltimeter) wie ATLAS auf ICESat-2, Radaraltimeter wie SIRAL auf CryoSat-2, Sentinel-1, nicht-abbildende Radarsysteme (Scatterometer) wie ASCAT auf Metop

Bei den Messungen können drei wesentliche Komponenten der Meereisoberfläche unterschieden werden:

  1. Offenes Wasser, dünnes Meereis in Rinnen und in größeren Öffnungen im Eis (Polynyas) sowie Schmelztümpel während der sommerlichen Schmelzperiode
  2. Meereis mit, je nach Alter, unterschiedlichen Mengen an Salzeinschlüssen (Salztaschen) und Lufteinschlüssen
  3. Schnee, der sich auf dem Meereis ablagert

Die folgenden Eigenschaften dieser Komponenten haben einen Einfluss auf die Messungen bei der Fernerkundung:

Darüber hinaus gibt es zahlreiche Variablen, die durch das Fernerkundungsinstrument selbst vorgegeben werden und einen erheblichen Einfluss auf die Messungen haben, wie unter anderem die Frequenz (Wellenlänge) der Strahlung oder der Einfallswinkel der Strahlung.

Satelliten können Meereis im sichtbaren und infraroten Bereich, wie auch im Mikrowellenbereich (Radiometer und Radar) des elektromagnetischen Spektrums messen. Jede dieser Methoden hat Vor- und Nachteile und kein Spektralbereich erlaubt es, alle Bereiche des Meereises gleichermaßen optimal und für alle Bedingungen zu messen. Bei der Suche nach einem geeigneten Sensor für eine bestimmte Anwendung muss also immer sorgsam abgewogen werden, welche Eigenschaften besonders wichtig für die spezifische Fragestellung ist. Für großflächige Untersuchungen (z. B. tägliche Beobachtung der gesamten Arktis) spielt es zum Beispiel oft weniger eine Rolle, ob der Sensor nun räumlich mit 3,6 oder 12 km auflöst. Für die lückenlose Abdeckung eines so großen Gebietes ist es aber unbedingt notwendig, dass der Satellit die Zielregion möglichst häufig überfliegt und vermisst.

Passive Mikrowellendaten von Radiometern haben die längste Geschichte und bilden das Rückgrat der globalen Eisüberwachung mit jahrzehntelangen konsistenten Beobachtungen von Eiskonzentration und -ausdehnung. Der Rückgang des arktischen Meereises wird durch passive Mikrowellendaten seit dem Jahr 1972 und mit Radaraltimeterdaten seit dem Jahr 1993 dokumentiert. Man macht sich dabei die Eigenschaft des Eises zunutze, andere Mikrowellenstrahlung auszusenden als Meerwasser.

Jedes Objekt auf der Erde emittiert nicht nur Infrarotstrahlung, sondern auch Mikrowellen. Ein Mikrowellenradiometer misst die im Mikrowellenspektrum von der Erde und von jedem Objekt, dessen Temperatur über dem absoluten Nullpunkt von -273,15 Grad Celsius liegt, emittierte natürliche Eigenstrahlung. Gerade im Mikrowellenbereich ist die Atmosphäre für viele Frequenzen transparent. Bei den verwendeten Mikrowellenfrequenzen (unter ca. 100 GHz, d. h. Wellenlängen über 3 mm) emittieren und absorbieren Wolken fast keine Mikrowellenstrahlung, sind also quasi transparent, so dass man das Meereis ohne den störenden Einfluss der Bewölkung untersuchen kann. Des Weiteren sind die passiven Mikrowellensensoren tageslichtunabhängig, da sie ja die emittierte, thermische Mikrowellenstrahlung messen, was gerade in den Polarregionen unabdingbar ist und einen entscheidenden Vorteil gegenüber optischen Sensoren darstellt.

Der Start der beiden fast identischen Systeme AMSR (an Bord des japanischen ADEOS-II, „Advanced Earth Observing Satellite II“) und AMSR-E (des NASA „Earth Observing Systems“ Aqua (EOS)) im Jahr 2002 markierte den Beginn einer neuen Ära der passiven Mikrowellenmessungen. Es folgte AMSR2. AMSR3 auf GOSAT-GW wird voraussichtlich zwischen April 2023 und März 2024 die Zeitreihe seiner Vorgänger fortsetzen können. Die „Copernicus Imaging Microwave Radiometer“, kurz CIMR, getaufte Mission wird vorrausichtlich zum Ende der 2020er Jahre an den Start gehen, u. a. um potentielle Beobachtungslücken zu füllen.

Seit Ende 2010 beobachtet der ESA-Satellit SMOS (Soil Moisture and Ocean Salinity) mit seinem im L-Band arbeitenden 1,4-GHz-Mikrowellen-Radiometer MIRAS (Microwave Imaging Radiometer using Aperture Synthesis) die Erde bei 21 cm Wellenlänge entsprechend 1,4 GHz (L-Band). Zusätzlich zu den ursprünglichen Missionszielen (Messung der Bodenfeuchte und des Salzgehalts im Ozean) wird aus den Beobachtungen von SMOS täglich die Dicke von dünnem Meereis bis 50 cm bestimmt.

Die Daten von Scatterometern (z.B. ASCAT) sind eine wertvolle Ergänzung zu den passiven Mikrowellendaten, insbesondere um die Eisdrift zu ermitteln und zwischen einjährigem und mehrjährigem Eis zu unterscheiden.

Das Synthetic Aperture Radar (SAR) von Sentinel-1 hat sich zum Arbeitspferd der operationellen Eisbeobachtung auf regionaler Ebene entwickelt, da hochaufgelöste Radarbilder ganzjährig in fast allen Regionen geliefert werden, in denen nationale Eisdienste Eiskarten erstellen. Kanada nutzt erfolgreich die SAR-Daten ihrer Missionen RADARSAT-2 und RADARSAT Constellation Mission (RCM) z.B. zum Monitoring von Meereis und Eisbergen.

Die Daten der Synthetic Aperture Radar-Instrumente können auch zur Beobachtung einer Reihe von Meereisprozessen und -phänomenen wie der Entwicklung des Eistyps und der Meereisdynamik genutzt werden, womit sie zu neuen Erkenntnissen über das Meereis beitragen.

Die Interpretation der Messdaten von SAR-Instrumenten bleibt generell eine anspruchsvolle Aufgabe, obwohl die zweidimensionale, bildhafte Darstellung für die Interpretation sehr hilfreich ist. Im Allgemeinen ist dickeres mehrjähriges Eis einfach von jungem einjährigem Eis zu unterscheiden, weil im mehrjährigen Eis mehr Luftblasen eingeschlossen sind, wenn die Salzsole abfließt. Diese Luftblasen erhöhen die Streuung und die Depolarisation des Signals. Diese Besonderheit macht das SAR zu einem sehr hilfreichen Mittel zur Unterscheidung von dickem und dünnem Eis. SAR-Instrumente können sogar kleine offene Rinnen im Meereis identifizieren. Die feine Auflösung erlaubt es, die Ergebnisse zum Beispiel für die Anwendung von Schiffsrouten oder in operationellen Zentren zu verwenden.

Laseraltimeter- und Radaraltimeterdaten- und sind zur Hauptmethode für die Schätzung der Meereisdicke geworden und füllen damit eine Lücke in der Beobachtung des Meereises als einer wesentlichen Klimavariablen. Die Daten über die Eisdicke ermöglichen eine Schätzung des Eisvolumens und der Eismassen sowie eine Verbesserung der Eisvorhersagen.

Im Bereich des sichtbaren Lichts sind ICESat (im Einsatz zwischen 2003 und 2009) bzw. ICESat-2 (seit 2018 im Einsatz) der NASA eine viel genutzte Weltraummission. Der auf ICESat-2 montierte aktive Sensor „Advanced Topographic Laser Altimeter System (ATLAS)“ sendet Laserlicht aus, registriert die Laufzeit des reflektierten Signals und berechnet daraus die Entfernung zum Zielgebiet. ATLAS liefert so Messungen, mit denen sich Höhenunterschiede im Meereis, Veränderungen der Mächtigkeit von Eisschilden, die Höhen von Landtopographie und Vegetation bestimmen sowie Höhenprofile von Wolken und Aerosolen erstellen lassen. ATLAS zeichnet sich durch eine sehr gute Höhengenauigkeit von bis zu 4 mm aus. Dabei hat der Laser eine Wellenlänge von 532 nm – was einem satten Grün im optischen Bereich entspricht.

ICESat-2: Messung von Veränderungen des polares Eises ICESat-2: Messung von Veränderungen des polares Eises Quelle: MEEREISPORTAL (AWI)

Radaraltimeter, wie das Instrument SIRAL (Synthetic Aperture Interferometric Radar Altimeter) auf dem europäischen Satelliten CryoSat-2 benutzen hochgenaue Radarabstandsmesser um den Abstand zwischen Satelliten und der Erdoberfläche zu messen. Aus diesen Messungen lassen sich unter anderem die Zunahme des Meeresspiegels und die Änderungen der kontinentalen Eisschilde bestimmen. Dies wird erreicht durch Messungen wie sich das Höhenprofils der jeweiligen Oberflächen verändert. Diese Methodik lässt sich auch für die Bestimmung der Dicke von schwimmenden Meereis verwenden.

CryoSat-2: Messung der Veränderungen der polaren Eisschilde und des Meereises  CryoSat-2: Messung der Veränderungen der polaren Eisschilde und des Meereises Quelle: MEEREISPORTAL (AWI)

Mit einem Orbit, der fast über die Pole geht (polnächste Punkte bei 88° Grad N und S), erreicht CryoSat-2 polnähere Gebiete als bisherige ESA-Satelliten wie beispielsweise der frühere ENVISAT (polnächster Punkt des Orbits: circa 81.5 Grad Nord und Süd). CryoSat-2 fliegt in rund 720 Kilometern Höhe. Damit werden erstmalig regelmäßige und weltweit flächendeckende Eisdickendaten aufgezeichnet.

Seit seinem Start sind aber auch andere Radaraltimeter für die Überwachung der eisbedeckten Ozeane gestartet. Insbesondere die europäischen Satelliten Sentinel-3 A und B besitzen ein zu CryoSat-2 sehr ähnliches Radaraltimeter und tragen zu einem immer dichter werdenden Netz an Beobachtungen bei.

Die Satellitenmission Copernicus Polar Ice and Snow Topography Altimetry (CRISTAL) soll 2027 starten. Sie enthält ein Radaraltimeter, welche gleichzeitig Freibord und Schneedicke bestimmen kann. Im Vergleich zu CryoSat-2 wird auch die räumliche Auflösung noch einmal verbessert, so dass mit CRISTAL deutlich genauere Eisdickeninformationen zu erwarten sind.

Weitere Informationen:


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