Lexikon der Fernerkundung

Sentinel-1

Erste in einer Serie von europäischen Umweltsatelliten-Missionen im Rahmen des Programms Copernicus (vormals GMES, Global Monitoring for Environment and Security), einer Initiative der Europäischen Kommission und der ESA mit dem Ziel, nachhaltig ein europäisches Netzwerk zur Erfassung und Auswertung von Umweltdaten zu erstellen. Der zunächst in zwei Exemplaren, um ein Jahr zeitversetzt verfügbare Sentinel-1 soll helfen, Umweltereignisse auf der ganzen Welt zu beobachten und zu analysieren. Ziel der Sentinel-1 Mission ist die lückenlose Beobachtung der globalen Landmassen, Packeisgebiete und Hauptschifffahrtswege mindestens alle 12 Tage (1 Satellit) bzw. 6 Tage (2 Satelliten). Die Herausforderung bei der Betriebsoptimierung liegt darin, eine lückenlose Abdeckung der Beobachtungsgebiete mit nur 25 % Betriebszeit des Instrumentes zu erreichen.

Dazu werden mindestens sieben Jahre lang die zwei rund 2,2 Tonnen schweren Sentinel-1 Satelliten die Erde in 700 km Höhe umrunden. Sentinel-1A wurde am 3. April 2014 mit einer russischen Sojus-Trägerrakete vom Europäischen Weltraumhafen Sinnamary/Kourou in Französisch-Guyana gestartet, und der zweite Satellit Sentinel-1B folgte am 25. April 2016. Er umrundet die Erde auf einer identischen polaren Umlaufbahn, jedoch um 180 Grad zeitversetzt. Damit verdoppelt sich die Aufnahmekapazität.

Die folgende Infografik gibt einen Überblick über die Copernicus Sentinel-1-Mission und ihre Leistungsfähigkeit.

Infografik zur Radarbildkonstellation Sentinel-1 Infografik zur Radarbildkonstellation Sentinel-1 und ihrer Leistungsfähigkeit Quelle: ESA

Als Hauptinstrument dient ein abbildendes Radar vom Typ SAR (Synthetic Aperture Radar), das von Airbus Defence and Space (vormals Astrium) in Immenstaad gebaut wurde. Die Umlaufbahn führt die Satelliten bei jedem Umlauf über die Erdpole, so dass das Radar-Instrument die Erde "streifenweise" abtasten kann, während diese sich unter ihm dreht. Hierbei kann das „Radarauge“ ein Gebiet von bis zu 400 Kilometern Breite auf einmal überblicken und Objekte bis zu fünf Metern Größe erkennen.

Das im C-Band arbeitende aktive Radar aus einer 12,30 × 0,90 Meter großen Hauptantenne, die sich aus 560 miteinander gekoppelten Einzelantennen zusammensetzt. Der C-Band-Radarstrahl mit sechs Zentimetern Wellenlänge dringt durch Wälder und Buschwerk bis auf den Erdboden und nimmt Bewegungen und Veränderungen der Erdoberfläche im Zentimeterbereich wahr. Mit der aus 280 Einzelantennen bestehenden aktiven Antenne können große Gebiete schnell abgedeckt werden. Im Fokus stehen dabei Eisbeobachtungen in den Polarregionen, vulkanische Aktivitäten, Erdbeben, Erdrutsche, Überschwemmungen, das Aufspüren von Bodensenkungen und -hebungen sowie das Beobachten von Meeresoberflächen, um Behinderungen durch Meereis und Ölverschmutzungen frühzeitig zu erkennen.

Das abbildende Radar an Bord von Sentinel-1A sendet schwache Radarstrahlung zur Erde, die an der Oberfläche reflektiert wird. Die Stärke der Reflektion wird am Satelliten gemessen und ist im wesentlich abhängig von der Art der Oberfläche und der Topographie. Um Oberflächen noch besser unterscheiden zu können werden die Radarstrahlen vor Aussenden durch Filter geschickt. Diese lassen nur vertikale oder horizontale Anteile durch (horizontal oder vertikal polarisiert). Ebenso verhält es sich dann beim Empfang - die Daten werden vor Empfang wieder gefiltert. Dies führt zu Unterschieden in der Helligkeit und damit zu einer besseren Unterscheidbarkeit der Objekte am Boden.

Wenn man diese unterschiedlich polarisierten Daten verschiedenen Farben im Rot-Grün-Blau Spektrum zuordnet, können aus den eigentlich "schwarz-weißen" Radarbildern farbige Bilder wie im Beispiel unten (Raum Bodensee) entstehen.

Als dauerhafter Datenlieferant unterstützt Sentinel die Aufklärung und Einsatzunterstützung in Katastrophenfällen. Überall dort, wo aktuellste Informationen in kürzester Zeit benötigt werden, können Bilddaten bereits innerhalb von 60 Minuten zur Verfügung gestellt werden. Das ist eine deutliche Verbesserung gegenüber bisherigen SAR-Systemen.

Das Radarinstrument kann in vier verschiedenen Beobachtungsmodi arbeiten, so kann Sentinel-1 auf die unterschiedlichsten Anforderungen reagieren:

  1. Strip-Map-Mode: 80 km breite Streifen mit einer Auflösung von 5×5 Meter
  2. Wide-Swath-Mode: 250 km breite Streifen mit einer Auflösung von 5×20 Metern
  3. Extrawide-Swath-Mode: 400 km breite Streifen mit einer Auflösung von 100×25 Metern
  4. Wave-Mode: 20x20 km umfassende Aufnahmen mit einer Auflösung von 20×5 Metern

Durch seine Radartechnik kann Sentinel-1 unabhängig von Tageszeit, Wetter und anderen, für optische Systeme störende Einflüsse (z.B Rauch), operieren und damit schnell Informationen liefern.

Mindestens sieben Jahre lang soll Sentinel-1 die Erde von seinem Orbit beobachten. Sentinel-1 wurde konzipiert, um als Nachfolger der inzwischen inaktiven Satelliten ERS und Envisat die Kontinuität in der radar-getragenen Erdbeobachtung zu gewährleisten.

Beispielbild - Bodensee und Umgebung

Das folgende Bild von Sentinel-1A zeigt den Bodensee. Es wurde am 10. Mai 2014 im interferometrischen 'wide swath'-Modus mit zweifacher Polarisation aufgenommen. Den verschieden reflektierten Radarpulsen wurden unterschiedliche Farben zugeordnet. Gebäude erscheinen pink, Vegetation ist grün. Gebiete mit der geringsten Reflektanz bei allen Polarisationsvarianten erscheinen dunkel, wie Wasserflächen.

Zum Zeitpunkt der Aufnahme wurde das Radarinstrument noch kalibriert, aber dieses Bild gab bereits einen ersten Eindruck von der Art Bilder, die für Copernicus zu erwarten sind.

Der See ist das Ergebnis der erosiven Kraft des Rheingletschers während der vergangenen Kaltzeit. Er besitzt eine Fläche von 540 km² und ist für große Teile SW-Deutschlands eine bedeutende Trinkwasserquelle.

Unten rechts erkennt man die Mündung des Alpenrheins, gegenüber der Insel Lindau auf der N-Seite. Um eine Verlandung der Bregenzer Bucht zu verhindern und die heutige Küstenlinie zu erhalten, wurde die Mündung des kanalartig ausgebauten Alpenrheins in den Bodensee "vorgestreckt" und nach Westen ausgerichtet. Der Rhein verlässt im W den See.

Der Bodensee hat drei Anliegerstaaten: Deutschland im N, die Schweiz im S und Österreich im O. Auf der Wasserfläche sind allerdings keine Grenzlinien festgelegt. Etwas nördlich der deutschen Uferlinie in der rechten Bildhälfte liegt die Start- und Landbahn des Friedrichshafener Flughafens.

Bodensee und Umgebung lake_constance_sentinel_1_lres Quelle: ESA

Probleme von Sentinel-1B und Ende der Mission

Am 23. Dezember 2021 trat bei Copernicus Sentinel-1B eine Anomalie auf, die mit der Stromversorgung der Instrumentenelektronik der Satellitenplattform zusammenhing und dazu führte, dass der Satellit keine Radardaten liefern konnte. Seitdem hatten die Betreiber und Ingenieure des Satelliten intensiv daran gearbeitet, das Problem zu beheben. Leider haben die ESA und die Europäische Kommission trotz aller gemeinsamen Bemühungen das Ende der Mission von Sentinel-1B bekannt gegeben. Copernicus Sentinel-1A ist weiterhin voll einsatzfähig, und es gibt Pläne, Sentinel-1C so bald wie möglich zu starten.

Sentinel-1C und Sentinel-1D

Das dritte Instrument für die Sentinel-1-Satellitenserie wurde von Airbus fertiggestellt. Weltpremiere hat ein neuer Trennmechanismus, der helfen soll, Weltraumschrott zu vermeiden. Das C-Band-Radar für den Copernicus-Satelliten Sentinel-1C ist nun auf dem Weg zu den Anlagen von Thales Alenia Space in Rom, Italien, wo es integriert und getestet werden wird. Der Start des Satelliten ist für das Jahr 2024 geplant.

Das neue Radarinstrument für Sentinel-1C ist weitgehend identisch mit den beiden Vorgängermodellen, weist aber eine Besonderheit auf, eine von Airbus patentierte Erfindung, die zum ersten Mal eingesetzt wird. Sie besteht aus Lötstellen an den wichtigsten Verbindungspunkten zum Satelliten, die bei starker Erwärmung schmelzen und die Radarantenne von der Satellitenplattform trennen. Beide Teile sind dann getrennt der vollen Reibungshitze ausgesetzt und verglühen beim Wiedereintritt in die Erdatmosphäre am Ende der nominellen Lebensdauer des Satelliten von 7,25 Jahren früher und schneller. 

Der Start von Sentinel-1D ist für 2024 vorgesehen.

Weitere Informationen:


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