Lexikon der Fernerkundung

Gravitation

Universelle Wechselwirkungserscheinung der gegenseitigen Anziehung zwischen zwei beliebigen Massenpunkten. Das Newtonsche Gravitationsgesetz besagt, daß die auftretenden Gravitationskräfte (Anziehungs- oder Attraktionskräfte) dem Produkt der Massen m1 und m2 direkt und dem Quadrat des Abstandes r der Massenpunkte indirekt proportional sind. Die Proportionalitätskonstante G wird als Gravitationskonstante bezeichnet. Die Gravitation wirkt in der Verbindungslinie der beiden Massenpunkte. Betrachtet man das Gravitationsfeld eines Massenpunktes der (aktiven) schweren Masse M, so kann aus dem Gravitationsgesetz die Gravitationsfeldstärke in vektorieller Form als Feldfunktion dargestellt werden.

Die Gravitation ist im Weltraum allgegenwärtig. Sie besteht aus der Überlagerung der Gravitationsfelder aller vorhandener Massen im Universum. Sie kann weder abgeschirmt noch abgeschaltet werden. Da die Kraftwirkung mit dem Quadrat der Entfernung abnimmt, überwiegt in unserem Planetensystem die Gravitation der Sonne, die 750-mal mehr Masse enthält als alle anderen planetaren Körper zusammen. Nur in der unmittelbaren Umgebung der jeweiligen Körper überwiegt deren eigenes Gravitationsfeld.

Das Schwerefeld der Erde beträgt in der Höhe stabiler Umlaufbahnen, etwa 250 km, noch etwa 93 % des Wertes auf der Erdoberfläche. Schwerelosigkeit entsteht durch Kompensation des verbleibenden Schwereeinflusses durch die Trägheitskräfte der Bahnbewegung, die im Falle einer Umlaufbahn mit der Zentrifugalkraft zusammenfallen.

Ein für globale und regionale geophysikalische Phänomene, darunter auch globale Klimaindikatoren, wichtiges Feld wird durch die Gravitation beschrieben. Massen und Massenbewegungen im Erdinneren und auf der Erdoberfläche deformieren das sogenannte Geoid, die Fläche gleicher Schwere. Eine der größten Deformationen ist in Südindien zu erkennen. Die Abweichung von einem regelmäßigen Ellipsoid beträgt dort ca. 110 m.

Da sich die Bahnen von Erdsatelliten nach dem lokalen Schwerefeld ausrichten, erzeugen kleine Änderungen des Schwerefeldes auch minimale Änderungen der Satellitenbahn. Die hochgenaue Vermessung der Satellitenbahn (Orbitographie) ist also der Schlüssel zur Berechnung des Schwerefeldes. Als Messmethode steht hierfür z.B. das Laser-Tracking zur Verfügung. Am Satelliten befestigte Reflektoren spiegeln vom Boden ausgesandte Laserimpulse wieder zurück. Ein globales Netzwerk von Satellite Laser Tracking-Stationen (SLR) führt solche Messungen durch. Die Position und die Geschwindigkeit eines Satelliten werden aber auch durch eine Vielzahl weiterer Einflüsse - nicht zuletzt die verbleibende Atmosphäre auch in großer Höhe - bestimmt. Diese müssen bei der Herausrechnung des Schwerefeldes aus den Orbitmessungen berücksichtigt werden. Neben dem Laser-Tracking werden auch Mikrowellensignale und GPS-Positionsbestimmungen für eine genaue Vermessung des Orbits verwendet.

Umgekehrt geht die genaue Kenntnis des Schwerefeldes auch wieder in die Berechnung von Satellitenbahnen ein. Die hochgenaue Lagebestimmung und damit die genaue Verortung von Bildpunkten am Boden bei optischen Satelliten ist somit auch der Schwerefeldmessung zu verdanken. Aber auch klimatische Veränderungen, wie der ENSO-Effekt im Pazifik, pausen sich als differentielle Änderung des Schwerefeldes durch. Damit sind diese durch die Methoden der Satellitengeodäsie nachweisbar.


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