Lexikon der Fernerkundung

Sentinel-6 / Jason-CS

Die ozeanographische Mission Sentinel-6 besteht aus zwei identischen Satelliten (Jason-CS A und Jason-CS B, resp. Sentinel-6 A und Sentinel-6 B). Es handelt sich um Satelliten-Altimeter im polaren Orbit, die "tiden-freie" Messungen des Meeresspiegels ermöglichen. Die Mission setzt die fast 30-jährige Messreihe des Meeresspiegels aus einem polaren Orbit mit einer Inklination von 66° fort – TOPEX-Poseidon, Jason-1, Jason-2, Jason-3. Sie ist deshalb auch als "Jason-CS" ("Continuity of Service") bekannt und benutzt mit beiden Satelliten auch den alten "Jason-Orbit". Anfang 2020 wurde der Satellit Sentinel-6 A von ESA, NASA, Europäischer Komission, EUMETSAT und NOAA zu Ehren des Erdwissenschaftlers Dr. Michael H. Freilich umbenannt in ‘Sentinel-6 Michael Freilich' (S6MF).

Die zwei identischen Satelliten wurden für eine Lebensdauer in der Erdumlaufbahn von 5,5 Jahren entwickelt. Die Satelliten sollen jeweils mit einer zeitlichen Überlappung von wenigstens 6 Monaten betrieben werden. So wird eine jahrzehntelange Aufzeichnungsreihe bis 2030 gestreckt. Den Betrieb der Sentinel-6 übernimmt EUMETSAT.

Sentinel-6 Michael Freilich Sentinel-6 Quelle: NASA

Aufgaben von Sentinel-6 Michael Freilich

Da der Anstieg des Meeresspiegels ein Schlüsselindikator für den Klimawandel ist, ist die genaue Beobachtung der sich über Jahrzehnte verändernden Höhe der Meeresoberfläche für die Klimawissenschaft, für politische Entscheidungen und letztlich für den Schutz des Lebens der Menschen in gefährdeten, tief gelegenen Gebieten von entscheidender Bedeutung. Immerhin steigen die globalen Meeresspiegel derzeit um durchschnittlich drei Millimeter jährlich.

Sentinel-6 übernimmt die Rolle einer Referenzmission und setzt damit die Langzeitaufzeichnung von Messungen der Höhe der Meeresoberfläche fort, die 1992 von der französisch-amerikanischen Mission TOPEX/Poseidon begonnen und dann von der Jason-Serie fortgesetzt wurde. Die sehr präzise Beobachtung der Höhenveränderungen der Meeresoberflächen für mehr als 90 % der Weltmeere gibt ferner Aufschluss über die Geschwindigkeit und Richtung von Meeresströmungen und die in den Ozeanen gespeicherte Wärme. Die gewonnenen Messungen sind entscheidend für die Ozean-Modellierung. Daten zu Meeresströmungen und Wellen sind u.a. in der Schifffahrt von Bedeutung.

Ein weiteres Ziel der Mission ist die Messung von Temperatur und Feuchtigkeit in der Troposphäre. Ferner wird auch die Stratosphäre untersucht. Die Atmosphäre-Daten verbessern die Wettervorhersagen, helfen bei der Verfolgung von Hurrikanen und unterstützen die Klimamodelle.

Die Missionsdaten werden Verbesserungen sowohl bei kurzfristigen Wettervorhersagen im zwei- bis vierwöchigen Bereich (z.B. Vorhersagen der Hurrikanintensität) als auch bei der langfristigen Vorhersage saisonaler Bedingungen (z.B. El Niño, La Niña) ermöglichen.

Ein Instrument an Bord der Satelliten nutzt die Technik der Radio-Okkultationssondierung des Globalen Navigationssatellitensystems (GNSS), die Veränderungen in den Signalen der Satelliten des GNSS analysiert, um die Lufttemperatur und -feuchtigkeit zu bestimmen.

All diese Erkenntnisse sollen Regierungen und Institutionen in die Lage versetzen, einen wirksamen Schutz für küstennahe Regionen aufbauen zu können. Wertvoll werden die Daten für Katastrophenschutzorganisationen sein, aber auch für Behörden, die Städteplanung betreiben, Gebäudesicherungen vornehmen oder Deichbauten in Auftrag geben.

Ausstattung des Satelliten

Ein Set aus hochpräzisen Ortungsinstrumenten, darunter ein Radar-Höhenmesser und ein Mikrowellen-Radiometer wird den Abstand zur Meeresoberfläche aus 1336 km Höhe auf wenige Zentimeter genau messen und die gesammelten Daten in einem 10-Tages Rhythmus global kartieren.

Zu diesem Zweck bringt Sentinel-6 zum ersten Mal ein Radar mit synthetischer Apertur (SAR) in die Zeitreihe der Altimetrie-Referenzmissionen ein. Um sicherzustellen, dass keine Verzerrungen in die Zeitreihendaten eingebracht werden, liefert das Radarinstrument gleichzeitig konventionelle Messungen im niedrigauflösenden Modus sowie die verbesserte Leistung des Radars mit synthetischer Apertur, welches hochauflösende Messungen entlang der Flugbahn ermöglicht.

Liste der wissenschaftlichen Instrumente auf Sentinel-6

Abbildung: Neue Ozeandaten fließen herein

Nach einer sechsmonatigen Test- und Kalibrierungsphase in der Umlaufbahn stellte die Mission Sentinel-6 Michael Freilich am 22. Juni 2021 ihre ersten beiden Datenströme der Öffentlichkeit zur Verfügung.

Die Karte zeigt Anomalien der Meeresspiegelhöhe (3,5 Zentimeter Messgenauigkeit), wie sie vom Radaraltimeter des Satelliten zwischen dem 5. und 15. Juni 2021 gemessen wurden. Rot-orangefarbene Bereiche zeigen Regionen, in denen der Meeresspiegel höher als normal war, und blaue Bereiche zeigen Regionen, in denen er niedriger als normal war.

Mehr als 90 Prozent der Wärme, die durch die zunehmende Konzentration von Treibhausgasen im Erdsystem eingeschlossen ist, werden vom Ozean absorbiert, und diese Wärme führt zu einer Ausdehnung des Meerwassers. Die Ausdehnung des Meerwassers ist für etwa ein Drittel des heutigen Anstiegs des Meeresspiegels verantwortlich, während das Schmelzwasser von Gletschern und Eisschilden den Rest ausmacht. Der Anstieg des Meeresspiegels hat sich in den letzten zwei Jahrzehnten beschleunigt, und die Forscher erwarten, dass er sich in den kommenden Jahren noch weiter beschleunigen wird.

Neue Ozeandaten fließen herein New Ocean Data Flowing In Quelle: NASA Earth Observatory

Organisation und Bodensegment

Die Mission wird gemeinsam getragen von EUMETSAT, Europäischer Kommission, ESA, NASA und NOAA. Die industrielle Führung obliegt Airbus D&S in Immenstaad. Der Start der jeweils 1,5 Tonnen schweren Sentinel-6 erfolgte im November 2020 bzw. ist für 2026 geplant. Das erste Exemplar wird der erste von der ESA entwickelte Satellit sein, der mit der Rakete SpaceX Falcon 9 - der weltweit ersten wiederverwendbaren Rakete der Orbitalklasse - ins All befördert wird. Sein Startplatz ist der Luftwaffenstützpunkt Vandenberg in Kalifornien.

Am 21.11.2020 erfolgte der Start des ersten Sentinel-6 von der Vandenberg Air Force Base in Kalifornien aus. Zehn Minuten, nachdem sich die zweite Raketenstufe mit ihrer Fracht von der erste wiederverwendbaren Stufe getrennt hatte, landete letztere wohlbehalten unweit des Startplatzes der Falcon-9.

Die zweite Stufe hielt unterdessen Kurs, um Sentinel-6 etwa eine Stunde nach dem Start in der vorgesehenen Umlaufbahn in einer Hohe von 1300 Kilometern freizusetzen. Von dort schickte der Satellit eine halbe Stunde später die ersten Signale zu einer Bodenstation in Alaska.

Am 22. März 2020 wurde S6MF zum offiziellen Referenzsatelliten für globale Meeresspiegelmessungen Referenzsatelliten für globale Meeresspiegelmessungen und löste damit Jason-3 in dieser Funktion ab. Dies bedeutet, dass die von anderen Satelliten gesammelten Daten über die Meeresoberfläche mit den von S6MF gewonnenen Informationen verglichen werden, um ihre Genauigkeit zu gewährleisten.

Infografik Sechs wichtige Fakten zu Sentinel-6 Sentinel-6 Quelle: ESA

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