Lexikon der Fernerkundung

Lagrange-Punkt

Syn. Librationspunkt; nach dem italienischen Mathematiker und Astronomen Joseph-Louis Lagrange (1736-1813) benannte Position im Weltraum, an der sich die Gravitationskräfte zweier umeinander kreisender Körper von erheblicher Masse – zum Beispiel Sonne und Erde – gegenseitig aufheben, so dass sie für einen dritten Körper (mit im Verhältnis zu den anderen beiden verschwindend geringer Masse) einen Gleichgewichtspunkt schaffen, der bewirkt, dass sich die Position der drei Körper zueinander nicht verändert. Lagrange-Punkte sind demnach Orte im Weltraum, an denen zum Beispiel ein Satellit im Verhältnis zu zwei anderen Körpern stabil positioniert ist.

Für das System Sonne-Erde-Mond gibt es fünf verschiedene Lagrange-Punkte, sie besitzen die Bezeichnungen L1 bis L5. Raumfahrtmissionen nutzen im Wesentlichen die Lagrange-Punkte L1 und L2.

Lagrange-Punkte L1 bis L5 in einem System aus Zentralgestirn (gelb) und Planet (blau): L4 läuft dem Planeten voraus, L5 hinterher

Position der fünf Lagrange-Punkte (L1, …, L5)
in einem System aus Zentralgestirn (gelb) und Planet (blau) Lagrange-Punkt Quelle: Wikipedia

Der innere Lagrange-Punkt L1 im System Erde – Sonne dient seit 1995 als "Basis" zur Sonnenbeobachtung. In seiner Nähe wo die Anziehungskraft der Erde jener der Sonne entspricht, ist auf der Verbindungslinie Erde-Sonne seit 1995 der Sonnenbeobachtungssatellit SOHO mit einem Bündel von 12 Messinstrumenten stationiert. L1 ist 1,5 Millionen Kilometer von der Erde entfernt und wird von SOHO langsam im Radius von rund 600.000 km umrundet. Dort soll auch die Raumsonde Genesis mit Instrumenten zur Erforschung des Sonnenwinds positioniert werden.

Der Lagrange-Punkt L2 befindet sich 1,5 Millionen Kilometer außerhalb der Erdumlaufbahn um die Sonne und eignet sich besonders für Weltraumbeobachtungen mit Teleskopen. Da ein Körper im L2 die Orientierung in Bezug auf Sonne und Erde beibehält, ist dort die Abschirmung vor Sonnenstrahlung wesentlich einfacher als auf einer Erdumlaufbahn. Die von 2001-2010 aktive WMAP-Raumsonde (Wilkinson Microwave Anisotropy Probe), die die kosmische Hintergrundstrahlung des Urknalls untersuchte, befand sich in einer Umlaufbahn um den L2-Punkt des Systems Erde-Sonne.

Die ESA stationierte im September 2009 das Infrarot-Teleskop Herschel und das Teleskop Planck zur Untersuchung der Hintergrundstrahlung dort. Nach ihrem Start im Dezember 2013 schwenkte die Astrometrie-Raumsonde Gaia der ESA Mitte Januar 2014 ebenfalls in eine Umlaufbahn am Lagrange-Punkt L2 ein. Frühestens 2021 wird das James Webb Space Telescope auf diesem Punkt stationiert.

GAIA GAIA - Den Erdschatten meiden

Durch die Positionierung am zweiten Lagrange-Punkt kann Gaia vermeiden, in den Erdschatten zu geraten.

Mit dieser wissenschaftlichen Mission der ESA zur Astrometriesollen rund 1 Prozent der Sterne unserer Milchstraße astrometrisch, photometrisch und spektroskopisch mit sehr hoher Präzision vermessen werden.

Sehen Sie sich das vollständige Video "Gaia: vom Start bis zur Umlaufbahn" hier an.

Quelle: ESA

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