Lexikon der Fernerkundung

Tandem-L

Vorschlag für eine innovative Satellitenmission zur globalen Beobachtung von dynamischen Prozessen auf der Erdoberfläche in einer bisher nicht erreichten Qualität und Auflösung. Aufgrund seiner neuartigen Abbildungstechniken und seiner großen Aufnahmekapazität wird Tandem-L dringend benötigte Informationen zur Lösung hochaktueller wissenschaftlicher Fragestellungen aus den Bereichen der Bio-, Geo-, Kryo- und Hydrosphäre liefern. Tandem-L trägt damit entscheidend zu einem besseren Verständnis des Systems Erde und seiner Dynamik bei. Dazu soll die Landmasse der Erde im Wochenrhythmus interferometrisch abgebildet werden.

Wichtige Missionsziele:

In Zeiten intensiver wissenschaftlicher und öffentlicher Diskussionen über Ausmaßund Auswirkungen von Klimaänderungen liefert Tandem-L somit wichtige und bis heute fehlende Informationen für verbesserte wissenschaftliche Prognosen und darauf aufbauend gesellschaftspolitische Handlungsempfehlungen.

Die Tandem-L-Satelliten im Formationsflug Die Tandem-L-Satelliten mit großen entfaltbaren Reflektorantennen im Formationsflug Quelle: DLR

Das Tandem-L-Missionskonzept nutzt zwei Radarsatelliten im L-Band (23,6 cm Wellenlänge), die in einem helixförmigen Formationsflug die Erde umkreisen und die Oberfläche Streifen für Streifen mit Radar abtasten. Der Einsatz der speziellen Technik des Radars mit synthetischer Apertur (SAR) ermöglicht die hochauflösende Abbildung der Erdoberfläche unabhängig von Wetter und Tageslicht und bietet damit die optimale Voraussetzung für eine kontinuierliche Beobachtung dynamischer Prozesse auf der Erdoberfläche. Ferner erfüllt die im Vergleich zum X-Band (3,1 cm) von TanDEM-X große Wellenlänge die Voraussetzungen für die tomographische Erfassung der dreidimensionalen Struktur von Vegetations- und Eisgebieten sowie die großflächige Vermessung von Deformationen mit Millimetergenauigkeit.

Die X-Band-Wellen sind kurz und werden z. B. bereits an der Oberfläche von Baumkronen zurückgeworfen. Die längeren L-Band-Wellen von TanDEM-X können deutlich tiefer in Vegetation, Eis oder Boden eindringen. So ist es möglich, die gesamte Biomasse, von den Baumkronen bis zum Waldboden, zu vermessen. Dabei kommen zwei unterschiedliche Betriebsarten zum Einsatz. Erstens die 3D-Messung, die auf polarimetrischer SAR-Interferometrie (Pol-InSAR) basiert. Mit ihr lassen sich durch die Kombination von der Überlagerung der Wellen (Interferometrie) und der vertikalen und horizontalen Ausrichtung ihrer Schwingung (Polarisation) anhand des Wellenechos eindeutige Aussagen über die Vegetation sowie deren Dichte und Struktur machen. Zweitens steht mit dem Deformationsmodus die Möglichkeit offen, die topographischen Veränderungen – tektonische Verschiebungen, vulkanische Aktivitäten oder Hangrutschungen – zu messen. Die zwei Modi können, je nach Bedarf, abwechselnd betrieben werden. Für den Betrieb des Satelliten wird es einen Beobachtungsplan geben, der sich an der Nachfrage der beteiligten Wissenschaftspartner der Helmholtz-Allianz orientieren soll. Der mit Tandem-L aufgenommene Datensatz eröffnet damit über die primären Missionsziele hinaus ein immenses Potenzial für die Entwicklung neuester wissenschaftlicher und kommerzieller Anwendungen.

Ein besonderes Novum an der Bauart der Satelliten sind die kreisrunden entfaltbaren Reflektorantennen mit 15 m Durchmesser. Dank der großen Reflektorfläche können bis zu 350 km breite Streifen abgebildet werden. Um trotz der großen Streifenbreite eine hohe Auflösung zu erzielen, wendet Tandem-L das im DLR entwickelte Konzept des Digital Beamforming an. Diese Technologie macht sich zunutze, dass die von der Erdoberfläche reflektierten Signale zeitlich nacheinander am Satelliten empfangen werden. Im sogenannten digitalen Feedarray werden einzelne Antennenelemente so kombiniert, dass ein stark gebündeltes Antennendiagramm genau diesen zeitlich versetzten Signalen folgt. Trotz seiner 350 km breiten Abdeckung kann Tandem-L dadurch eine Auflösung von bis zu fünf m gewährleisten. Während TanDEM-X für eine globale Erfassung der Erdoberfläche circa ein Jahr braucht, wird Tandem-L dies bis zu zweimal pro Woche schaffen. Veränderungen auf der Erde, die sich innerhalb kürzester Zeit abspielen, können so erfasst werden.

Eindringtiefen-X-C-L Vergleich der Eindringtiefe von X-, C- und L-Band
mit 3 cm, 5 cm und 24 cm Wellenlänge bei Vegetation

Während Radarwellen im X-Band nur von der oberen Baumkrone reflektiert werden, dringt das L-Band bis zum Boden. Nur L-Band-Radarsysteme können Signale aus allen Bereichen der Vegetation empfangen und damit deren vertikale Struktur vermessen.

Quelle: DLR

Neben seiner wissenschaftlichen Komponente zeichnet sich Tandem-L durch seinen hohen Innovationsgrad hinsichtlich Methodik und Technologie aus. Beispiele sind die polarimetrische SAR-Interferometrie zur Messung von Waldhöhen, die Mehrpass-Kohärenz-Tomographie zur Bestimmung der vertikalen Struktur von Vegetation und Eis, die Nutzung neuester Digital-Beamforming-Techniken zur Erhöhung von Streifenbreite und Auflösung sowie der enge Formationsflug von zwei kooperierenden Radarsatelliten mit variabel einstellbaren Abständen.

Ein weiterer essentieller Vorteil der Verwendung von langwelligen Radarsignalen ist die stark verbesserte zeitliche Kohärenz für die Messung von Erd-Deformationen und Gletscherbewegungen. Damit erlaubt Tandem-L globale Bewegungsmessungen der Erdoberfläche in cm- bis mm-Genauigkeit über sehr lange Zeiträume hinweg.

Tandem-L hat einen anderen Fokus als vorhergehende Missionen. TanDEM-X zielt auf den kommerziellen und sicherheitstechnischen Bereich, während Tandem-L vor allem eine hochkarätige Wissenschaftsmission ist. Allerdings sind die Daten auch für Unternehmen von Belang. Ein möglicher Start könnte ca. 2029 erfolgen.

Weitere Informationen:


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