Sojus
Die Sojus-Rakete (russ. für Union, Vereinigung; engl. Soyuz) ist eine der Weiterentwicklungen der weltweit ersten Interkontinentalrakete, der R-7, die 1957 zu ihrem Erstflug startete. Mit über 1.900 Flügen seit ihrem Debüt im Jahr 1966 ist die Sojus bis 2021 die am häufigsten eingesetzte Trägerrakete der Welt.
Fast ein Jahrzehnt lang, zwischen dem letzten Flug des Space Shuttle-Programms im Jahr 2011 und der ersten bemannten Mission der Falcon 9-Rakete von SpaceX im Jahr 2020, waren Sojus-Raketen die einzigen Trägerraketen, die für den Transport von Astronauten zur Internationalen Raumstation (ISS) geeignet und zugelassen waren.
Eine Sojus-Startrakete hob am 21. Oktober 2011 vom europäischen Weltraumbahnhof in Kourou ab und brachte das erste Paar von Europas Galileo-Navigationssatelliten ins All. Dies war ein historisches Ereignis, da eine Sojus zum ersten Mal von einem anderen Raketenstartplatz als Baikonur oder Plessetsk startete.
Kommerziell wurde die Rakete von der französisch-russischen Firma Starsem vermarktet. Mit dem gleichzeitigen Dienstantritt der kleineren Vega-Rakete konnte Arianespace ab 2009 in Kourou Startdienste in allen Nutzlastkategorien anbieten: für leichte Nutzlasten die Vega, für mittelschwere Sojus-ST und für schwere Ariane 5.
Nach der russischen Invasion der Ukraine werden die vom europäischen Startdienstleister Arianespace und dem europäisch-russischen Unternehmen Starsem durchgeführten Sojus-Flüge auf unbestimmte Zeit ausgesetzt. Arianespace teilte Anfang März 2022 mit, man respektiere mit großer Gewissenhaftigkeit die Sanktionen, die von der internationalen Gemeinschaft beschlossen wurden. Die russische Raumfahrtbehörde Roskosmos hatte kurz nach Beginn des Kriegs in der Ukraine angekündigt, ihr Personal von Kourou abzuziehen.
Die in Kourou bislang startende Sojus-ST ist die modernste und leistungsfähigste Variante der Sojus-2-Trägerrakete. Sie verfügt über ein digitales Lenksystem, eine modernisierte erste, zweite und dritte Stufe, eine leistungsfähigere Fregat-Oberstufe sowie eine größere Nutzlastverkleidung. Sie unterscheidet sich ein wenig von ihren in Plessezk und in Baikonur eingesetzten Schwestern, denn sie musste sowohl tropentauglich gemacht werden als auch den westeuropäischen Sicherheitsstandards entsprechen.
Sojus-2 ist die jüngste Version der berühmten russischen Trägerraketenfamilie, die vor mehr als 50 Jahren mit dem Start von Sputnik, dem ersten Satelliten in der Erdumlaufbahn, den Wettlauf ins All eröffnete und anschließend den ersten Menschen ins All schickte. Sojus-2 ist leistungsfähiger und kann bis zu 3 Tonnen in eine geostationäre Transferbahn befördern, verglichen mit den 1,7 Tonnen, die von Baikonur in Kasachstan aus gestartet werden können.
Der neue Startkomplex für die Sojus-ST liegt aus Sicherheitsgründen zwölf Kilometer nordwestlich der Ariane-5-Startanlagen. Er ist 18 Kilometer von Sinnamary und 28 Kilometer von Kourou entfernt. Aufgrund der Nähe zu Sinnamary müsste der neue Sojus-Startplatz eigentlich seinen Namen tragen. Doch im Laufe der Zeit hat sich „Sojus-Kourou“ bereits als Markenname etabliert. Innerhalb des CSG-Geländes verbindet die Raumfahrtstraße „Route de l´Espace“ die verschiedenen Anlagen miteinander.
Der ELS genannte Standort liegt 13 km nordwestlich des Ariane-Startplatzes und besteht aus drei Hauptbereichen: der Startplattform, dem Integrationsgebäude MIK in dem die drei Stufen horizontal montiert und geprüft werden, und dem Startkontrollzentrum. Das MIK ist mit der Startplattform durch eine 700 Meter lange Bahn verbunden, die für den Transport der Rakete in horizontaler Position genutzt wird. Das Startkontrollzentrum ist einen Kilometer von der Startrampe entfernt.
Der mobile Montageturm MBO (Mobilnaïa Bachnia Obslouzhivania) umfasst die Rakete vor dem Start. Er ist 53 m hoch, 29 m tief, 24 m breit und hat eine Masse von 800 t. Er ermöglicht auf 11 Etagen den Zugang zur Rakete. Von ihm aus wird die Nutzlast montiert. Abweichend von dem auf den russischen und kasachischen Startplätzen praktizierten Verfahren, die Rakete einschließlich Nutzlast in horizontaler Lage vollständig zu montieren, wird die Fregat-Oberstufe zusammen mit der Nutzlast mit ihrer Verkleidung am ELS erst nach dem Aufrichten des Trägers mit den Stufen 1 bis 3 auf dem Starttisch in vertikaler Position aufgesetzt. Außerdem befinden sich auf dem Startgelände noch vier große Gittermasten, die als Blitzableiter dienen, sowie Lagertanks für die flüssigen Treibstoffe. (vgl. Foto)
Soyuz Startplatz (Kourou, 2011) Quelle: ESA |
Da Kourou viel näher am Äquator als Baikonur liegt, ist es energetisch günstiger von dort geostationäre Satelliten zu starten, so dass eine Sojus in Kourou über eine höhere Nutzlastkapazität als in Baikonur oder Plessezk verfügt. Die Nutzlastkapazität der Sojus-ST wird mit 2.720 kg für einen Geotransferorbit, 1.360 kg für einen geostationären Orbit und 4.350 kg für einen sonnensynchronen Orbit angegeben.
Es erscheint außerdem möglich, die ohnehin schon für bemannte Flüge zugelassene Sojus in Kourou zum Starten von Astronauten einzusetzen. Auch bei einem Flug zu der internationalen Raumstation ISS würde die Nutzlastkapazität der Sojus im Vergleich zu Baikonur steigen. Allerdings gab es bisher keine offiziellen Gespräche zwischen der ESA und Russland, die bemannte Starts in Kourou betreffen, eine solche Möglichkeit wird jedoch für die Zukunft nicht ausgeschlossen.
Vom Beginn des 21. Jahrhunderts bis 2016 war die Sojus die kommerziell erfolgreichste orbitale Rakete der Welt, zudem eine der verlässlichsten mit einer Zuverlässigkeitsquote von 97 %. Außerdem ist sie die einzige aktive Trägerrakete der Russischen Föderation, die für den bemannten Raumflug zugelassen ist.
Nach dem russischen Überfall auf die Ukraine wurden Sojusstarts von Guyana gestoppt und geplante Starts für Galileo voraussichtlich zeitlich verzögert mit Ariane-Raketen durchgeführt.
Weitere Informationen:
- Soyuz at the European Spaceport (esa bulletin 132, November 2007)
- Launch Vehicles (ESA)
- STARSEM - Startseite
- Soyuz (ESA - Launch Vehicles)
- Sojus in Kourou (DLR)