Lexikon der Fernerkundung

Ozeanversauerung

Als Versauerung der Meere wird die Abnahme des pH-Wertes des Meerwassers bezeichnet. Verursacht wird sie durch die Aufnahme von Kohlen(stoff)dioxid (CO2) aus der Erdatmosphäre. Der Vorgang zählt neben der globalen Erwärmung zu den Hauptfolgen der menschlichen Emissionen des Treibhausgases Kohlenstoffdioxid. Während Kohlenstoffdioxid in der Atmosphäre physikalisch zu steigenden Temperaturen auf der Erde führt, wirkt es im Meerwasser chemisch. Die Versauerung durch Gase lässt sich ausschließlich auf CO2 zurückführen, die Emissionen anderer Treibhausgase wie Methan oder Distickstoffoxid tragen nicht dazu bei. Darüber hinaus spielen Säureeinträge wie Dünnsäure und andere Umweltverschmutzungen eine geringe Rolle (aber nicht keine).

Während die Sorge um die globale Erwärmung als Folge gestiegener Treibhausgase, bedingt u. a. durch die Verbrennung fossiler Brennstoffe inzwischen weitgehend anerkannt ist, hat die andere Seite der CO2-Emissionen, nämlich die Versauerung der Ozeane über die CO2-Anreicherung viel weniger Aufmerksamkeit erreicht. Anthropogenes CO2 verbleibt nur für eine bestimmte Zeit in der Atmosphäre. Während ein kleiner Teil des anthropogenen CO2 einen kleinen Umweg von im Schnitt 40 Jahren Dauer durch die terrestrische Biosphäre unternimmt, bevor er infolge von Zersetzungsprozessen wieder in die Atmosphäre entlassen wird, wird ungefähr ein Drittel des jedes Jahr emittierten CO2 rasch von den Ozeanen aufgenommen.

Auf lange Sicht werden ca. 85 % aller menschengemachten CO2-Emissionen durch Gasaustausch an der Luft-Meer-Schnittstelle absorbiert. Dieser Wert ist belegbar durch die chemische Aufnahmekapazität und die Gesamtmenge der verbrannten fossilen Brennstoffe. Die jährliche Aufnahmerate wird von den Durchmischungsvorgängen im Ozean bestimmt. Hierbei gibt es keine Ungewissheiten. Die Anreicherung von CO2 aus fossilen Brennstoffen im oberen Ozean und sein Eindringen in die Tiefsee in neu gebildetem Tiefenwasser ist von Meereschemikern deutlich beobachtbar. Wir haben bislang ca. 530 Mrd. t CO2 aus fossilen Brennstoffen in den Ozeanen 'entsorgt', und die Rate der Neueinträge übersteigt 1 Mio. t CO2 /h.

Dadurch versauern wir die Meere und verändern grundlegend das empfindliche geochemische Gleichgewicht. Man beginnt erst jetzt, die Folgen für die Lebewesen im Meer zu untersuchen, aber man weiß, dass vergleichbare Ereignisse in unserer geologischen Geschichte massive Veränderungen der ozeanischen Ökosysteme zur Folge hatten, einschließlich ausgedehntem Artensterben.

Anthropogenes CO2 und die
daraus resultierende Versauerung der Ozeane CO2_12-31-07 Quelle: MBARI

Die Folgen dieser Versauerung betreffen zunächst kalkskelettbildende Lebewesen, deren Fähigkeit, sich Schutzhüllen bzw. Innenskelette zu bilden, bei sinkendem pH-Wert nachlässt. Weil diese Arten oft die Basis der Nahrungsketten in den Ozeanen bilden, können sich daraus weitere schwerwiegende Konsequenzen für die zahlreichen von ihnen abhängigen Meeresbewohner und in der Folge auch für die auf diese angewiesenen Menschen ergeben.

Der pH-Wert ist für ideal verdünnte Lösungen definiert und daher auf das salzhaltige Meereswasser nicht direkt anwendbar. Um Durchschnittswerte für Meereswasser angeben zu können, müssen darüber hinaus Modelle angewendet werden, um ein chemisches Gleichgewicht des Ozeans zu simulieren. Hierzu werden derzeit drei verschiedene Modelle mit daraus folgenden Skalen angewendet, die um bis zu 0,12 Einheiten auseinander liegen. Durchschnittswerte können daher nur im Rahmen des zugrundeliegenden Modells verglichen werden.

Das Meerwasser ist mit einem pH-Wert um 8 leicht basisch. Nach einer Zusammenfassung der britischen Royal Society weist das Oberflächenwasser der Meere heute bis in eine Tiefe von 50 m typischerweise pH-Werte zwischen 7,9 und 8,25 auf, mit einem Durchschnittswert von 8,08. Die wichtigsten Ursachen für diese Differenz um 0,25 Einheiten sind die Temperatur des Wassers, der lokale Auftrieb von kohlenstoffdioxidreichem Tiefenwasser, sowie die biologische Produktivität, die dort, wo sie hoch ist, in Form von Meereslebewesen viel Kohlenstoffdioxid bindet und in tiefere Wasserschichten transportiert.

Eine Möglichkeit, frühere pH-Werte zu rekonstruieren, bietet die Analyse von Sedimenten. Aus der isotopischen Zusammensetzung von Borhydroxiden lässt sich bestimmen, dass der pH-Wert an der Meeresoberfläche vor etwa 21 Millionen Jahren etwa 7,4 ± 0,2 betrug, bis er vor ungefähr 7,5 Millionen Jahren auf den Wert von 8,2 ± 0,2 stieg. Da der pH-Wert der Meere über den Henry-Koeffizienten direkt mit der Kohlenstoffdioxidkonzentration der Atmosphäre gekoppelt ist, lassen sich so auch Paläo-CO2-Konzentrationen bestimmen. Bis zum Beginn der ozeanischen Versauerung in Folge der einsetzenden Industrialisierung im 18. Jahrhundert und des steigenden Kohlenstoffdioxidausstoßes blieb dieser Wert in etwa konstant.

Einer Studie der Stanford University zufolge, die einen vorindustriellen pH-Wert des oberflächennahen Meerwassers von durchschnittlich 8,25 annimmt, soll sich der pH-Wert durch die Aufnahme von Kohlenstoffdioxid auf den heutigen Wert von durchschnittlich 8,14 verringert haben. Eine gemeinsame Übersicht aus den USA von der National Science Foundation (NSF), der National Oceanic and Atmospheric Administration (NOAA) und dem United States Geological Survey (USGS) kommt zu dem Schluss, dass vor der Industrialisierung der durchschnittliche pH-Wert bei 8,16 lag, während er heute 8,05 beträgt. In beiden Fällen wird die Versauerung auf die menschlichen Emissionen von Kohlenstoffdioxid zurückgeführt und mit 0,11 pH-Einheiten beziffert.

entwicklunng_ozeanversauerung Die menschengemachte Meereskrise – was Modellrechnungen vorhersagen

Kaum wahrnehmbar für uns Menschen schreitet die Versauerung unserer Meere immer weiter voran. In vielen Meeresgebieten zeigen sich schon heute die Folgen.

Besonders betroffen sind die vier großen Auftriebsgebiete an den Westküsten Afrikas und Amerikas.

Quelle: Meeresatlas 2017

 

Ozeanversauerung erfolgt in großem Maßstab und wird von vielen Umweltgrößen beeinflusst. In situ-Messungen besitzen in räumlicher Hinsicht (verankerte Messstationen) oder/und in zeitlicher Hinsicht (Schiffsbeobachtungen) naturgemäß Beschränkungen. Fernerkundung als relativ junge und zu entwickelnde Technologie bietet hingegen den Blick auf den gesamten Ozean mit hoher räumlicher und zeitlicher Auflösung. Allerdings ist der Einsatz von Fernerkundungsmethoden zur direkten Überwachung von Änderungen des ph-Wertes in den Ozeanen und ihre Wirkungen auf marine Organismen gegenwärtig noch nicht möglich. Wohl aber können eine Reihe von FE-Produkten, die von Satellitendaten abgeleitet sind, wertvolle Informationen liefern und erlauben es, einige Konsequenzen der Ozeanversauerung abzuschätzen. Einige dieser Messungen messen den ozeanischen Kohlenstoffkreislauf direkt (z.B. CO2-Austauschvorgänge zwischen Atmosphäre und Ozean, POC und PIC). Andere messen geo-biochemische Reaktionen auf die Ozeanversauerung (z.B. AT, Kalkbildungsraten).

Satellitenmissionen, die unter anderem der indirekten Untersuchung der Ozeanversauerung dienen, sind z.B. die NASA-Missionen Orbiting Carbon Observatory (OCO), Moderate Resolution Imaging Spectroradiometer (MODIS) und bis 2010 Sea-Viewing Wide Field-of-View Sensor (SeaWiFS).

Weitere Informationen:


Pfeil nach linksOzeansalzgehaltLupeIndexOzeanwinde und FernerkundungPfeil nach rechts