EnMAP
Engl. Akronym für Environmental Mapping and Analysis Programme; die erste deutsche hyperspektrale Satellitenmission zur Erdbeobachtung. Der Satellit startete am 1. April 2022 an Bord einer Falcon-9-Rakete des US-Raumfahrtkonzerns SpaceX zu seinem Zielorbit. Die Mission ist auf mindestens fünf Jahre ausgelegt. Ziel ist die Bereitstellung von qualitativ hochwertigen hyperspektralen Daten zum zeitlich hochaufgelösten Monitoring von geo- und biosphärischen Parametern der Erdoberfläche. Dies ermöglicht die Beantwortung aktueller Fragen aus den Bereichen Umwelt, Landwirtschaft, Landnutzung, Wasserwirtschaft und Geologie in einem globalen Maßstab. Die durch den Satelliten gewonnenen Daten sollen neue Nutzungsmöglichkeiten eröffnen.
Abbildende Spektroskopie
Die abbildende Spektroskopie ist eine innovative Fernerkundungstechnologie, mit deren Hilfe ein größerer, weit über das sichtbare Licht hinausgehender Wellenlängenbereich mit vielen, aneinandergereihten, schmalen Kanälen bildlich aufgezeichnet wird. Diese vielkanaligen Bilder (sogenannte Hyperspektralbilder) beinhalten somit für jedes einzelne Bildelement kontinuierliche Spektren, die bei entsprechender Weiterverarbeitung die direkte Identifikation der aufgezeichneten Materialien und auch deren Quantifizierung erlauben.
Charakteristische Reflexionsspektren von verschiedenen Oberflächen Quelle: GFZ |
Das Hyperspektralinstrument, das der Satellit trägt, verfügt über zwei abbildende Spektrometer mit insgesamt 242 Aufnahmebändern im Wellenlängenbereich von 420 bis 2450 Nanometern. Die spektrale Auflösung liegt dabei bei 6,5 Nanometern im sichtbaren und nahinfraroten Bereich und bei 10 Nanometern im kurzwelligen Infrarotbereich. Dadurch wird der ca. 766 kg schwere Satellit dazu in der Lage sein, die von der Erdoberfläche reflektierte Sonnenstrahlung vom sichtbaren Licht bis in den kurzwelligen Infrarotbereich in kontinuierlichen Spektren zu erfassen.
Somit können spektral hochaufgelöste Aufnahmen angefertigt werden, die quantitative Aussagen über die mineralogische Zusammensetzung von Gesteinen, die Schädigung von Pflanzen durch Luftschadstoffe, die Wasserqualität von Seen und Küstengewässern oder den Grad der Bodenverschmutzung erlauben. Dies kommt den Geo-, Agrar- und Umweltwissenschaften zugute.
Organisation und Datenfluss
Das GFZ Potsdam hat die wissenschaftliche Leitung der EnMAP-Mission, das Management übernimmt die Raumfahrtagentur des DLR. Die Entwicklung des Sensors und die Systemführerschaft liegt bei der OHB System AG. Diese baut auch den Satellitenbus, der zuvor schon für die SAR-Lupe-Satelliten zum Einsatz kam. Das Bodensegment wird vom Earth Observation Center (EOC) am DLR in Oberpfaffenhofen geplant, aufgebaut und betrieben. Dabei übernehmen das Raumfahrt-Kontrollzentrum (GSOC) mit seinen Multi-Mission Kontrollzentren und das Deutsche Fernerkundungsdatenzentrum (DFD) zusammen mit dem Institut für Methodik der Fernerkundung (IMF) die Steuerung des Satelliten, den Datenempfang, die Datenarchivierung und -verteilung sowie die Kalibration des Spektrometers.
Eine S-Band Bodenstation zum Empfang der Telemetrie und zur Übermittlung von Telekommandos befindet sich in Weilheim. Datenempfang, Datenprozessierung und Langzeitarchivierung der Daten sowie die Bereitstellung einer Web-Schnittstelle zur EnMAP Nutzergemeinschaft wird durch das Deutsche Fernerkundungsdatenzentrum (DFD) mit seiner Multi-Mission Infrastruktur in Oberpfaffenhofen und Neustrelitz betrieben.
Die Daten werden vom Satelliten aufgenommen und dann über den DLR-Bodenstationen in Neustrelitz (Mecklenburg-Vorpommern) und im kanadischen Inuvik während der Überflüge des Satelliten zur Erde heruntergeladen. Diese Rohdaten sind für den Nutzer allerdings noch nicht direkt verwendbar. Sie müssen weiterverarbeitet werden, indem sie mit Lage- und Positionsbestimmungen versehen werden. Nur so wissen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler am Ende auch, wo welcher Pixel am Boden verortet werden kann. Das Deutsche Fernerkundungsdatenzentrum (DFD) sowie das Institut für Methodik der Fernerkundung im DLR prozessieren, archivieren und validieren die Daten, so dass sie am Ende der Wissenschaft weltweit und kostenfrei zur Verfügung gestellt werden.
EnMAP - Der deutsche Hyperspektralsatellit zur Erdbeobachtung Quelle: DLR |
Funktionsweise von EnMAP
Jedes Material auf der Erdoberfläche reflektiert das Sonnenlicht in einer für ihn charakteristischen Art und Weise, einer sogenannten Spektralsignatur. Herkömmliche multispektrale Sensoren nehmen die von der Erde reflektierte Strahlung in wenigen, spektral sehr breiten Kanälen auf. Sie liefern zuverlässige Daten und Informationen, wie etwa über die Landbedeckung und deren räumliche Verteilung. Für qualitative Aussagen, beispielsweise über die Art der Vegetation, reichen diese Messmethoden aus. Für quantitative Informationen hingegen, wie die Nährstoffversorgung von Ackerpflanzen oder die Wasserqualität von Seen, werden spektral hochaufgelöste Daten benötigt.
EnMAP kann die Spektralsignatur mit Hilfe seines Messinstruments "lesen". Um sie nicht mit anderen Elementen zu verwechseln, werden diese Signaturen sehr genau abgetastet. Dies macht man mithilfe von vielkanaligen Bildern (sogenannte Hyperspektralbilder), mit speziellen Auswerteverfahren können dann die Materialien und Zusammensetzung verschiedener Landoberflächen, natürlichen wie städtischen, identifiziert und qualifiziert werden. Als ein Beispiel: man kann damit nicht nur erkennen, welche Fruchtart auf einem Acker angebaut wird, sondern auch, wie gut diese mit Nährstoffen versorgt ist. Auch können Mineralien in Böden erkannt und quantifiziert werden, oder Algen und Schwebstoffe in Gewässern.
Die Nutzung des gesamten optischen Wellenlängenspektrums erlaubt in hoher spektraler Auflösung die detaillierte Abbildung von spektralen Reflexionseigenschaften einschließlich materialspezifischer Absorptions- und Reflexionsbanden. Dieses Messprinzip wird seit Jahren erfolgreich auf der Labor- und Geländeskala sowie auf flugzeuggetragenen Plattformen eingesetzt. Zusammen mit anderen derzeit in der Entwicklung befindlichen hyperspektralen Satellitenmissionen wird EnMap die Weiterentwicklung von Methoden zur Informationsgewinnung aus Hyperspektraldaten und die weltweite Erschließung neuer Anwendungsfelder ermöglichen.
Besonders relevante Parameter für die Analyse von Böden in ariden und semiariden Gebieten sind die Anteile an Tonen, Karbonaten und anderen Salzen, die mit Multispektralsensoren nicht oder nur sehr ungenau bestimmt werden können. Hyperspektrale Fernerkundung ermöglicht die genaue Quantifizierung von Oberflächeneigenschaften von Böden und Sedimenten und leistet durch deren Charakterisierung und Kartierung einen wichtigen Beitrag zur Interpretation von Paläoumweltarchiven und deren Oberflächenprozessen.
EnMAP zeichnet die Erdoberfläche auf einer sonnensynchronen Umlaufbahn aus einer Höhe von 643 km mit einer Bodenauflösung von 30 mal 30 Metern auf. Die Abtastbreite beträgt 30 Kilometer, wobei der Satellit eine Streifenlänge von bis zu 5.000 km pro Tag verarbeiten kann. Die Möglichkeit, den Satelliten senkrecht zur Flugrichtung um bis zu +/- 30 Grad zu schwenken, erlaubt Vergleichsbeobachtungen desselben Ortes innerhalb von vier Tagen. Daher eignet sich EnMAP sehr gut für die Dokumentation räumlich-zeitlicher Veränderungen, wie etwa Erosionsvorgänge oder Vegetationsperioden. Die spektroskopische Erdbeobachtung liefert Erkenntnisse darüber, wie sich die Ökosysteme von vielen unterschiedlichen Naturräumen ausbreiten und wie sie beschaffen sind: von Küstenzonen und vom Menschen geprägten Kulturlandschaften über Steppen und Wüsten bis hin zu Waldgebieten.
Darstellung eines EnMAP-Überflugs Quelle: GFZ |
Anwendungsspektrum
Für Landwirtschaft und Forstwirtschaft, natürliche Ökosysteme, (Lagerstätten-)Geologie und Böden, urbane Räume oder auch Küsten- und Binnengewässer werden die Daten der Mission einen erheblichen Zugewinn an Informationen bieten. Im Vergleich zu den bisherigen Sentinels des Copernicus-Programms werden sich bestimmte Parameter damit erstmals beobachten oder wesentlich besser als bisher quantifizieren lassen, z. B. zum Pflanzenstress, Blattwassergehalt, zu Ernterückständen auf Landwirtschaftsflächen, Bodenmineralen und -nährstoffen, Lagerstätten, zu Schwebstoffen und Algenarten in Gewässern sowie zu Umweltbelastungen durch Plastik, Öl, Schwermetalle und andere Schadstoffe. Die Ergebnisse einer Nutzeranforderungserhebung für einen zukünftigen Hyperspektralsatelliten für das Copernicus-Programm zeigen, dass einerseits ein Monitoring-System mit großer Flächenabdeckung und höherer Wiederholrate für viele Anforderungen nachgefragt wird, andererseits auch ein System mit höherer räumlicher Auflösung für die Beobachtung kleinräumiger Phänomene. Das bereits vorhandene Informationsangebot zu Hyperspektralanwendungen, das im Zusammenhang mit der EnMAP-Mission erarbeitet wird, steht auch für behördliche Nutzer zur Verfügung. Die Webseite www.enmap.org ist hierfür die Einstiegsadresse, das Kapitel Welche Anwendungen ermöglicht EnMAP? gibt eine entsprechende Übersicht.
EnMAP - Entwicklung von Fernerkundungsprodukten für die Bereiche Exploration, Bergbau, Geologie und Boden Gamsberg, Nordkap-Provinz Südafrika, als Falschfarbendarstellung aus HySPEX-Daten RGB: 2204, 923, 472 nm Die Hyperspektraldaten des Satelliten können in unterschiedlichsten Geowissenschaftsdisziplinen zur Messung und Modellierung von dynamischen Schlüsselprozessen des Ökosystems Erde eingesetzt werden. Dabei werden mineralogische, geochemische, biochemische und biophysikalische Parameter erfasst, die wichtige Informationen über den Entwicklungszustand der terrestrischen und aquatischen Systeme der Erde bereitstellen. Quelle: BGR |
Die Abteilung Fernerkundung der BGR hat gemeinsam mit dem GFZ dazu im Projekt EnMAP erfolgreich Methoden entwickelt und weiterentwickelt, die Infrastruktur für die hyperspektrale Fernerkundung ausgebaut und neue Projekte (REEMAP, HYPGEO, BopaBW, ReCharBo, H2020GEOSSMin) generiert, deren Ergebnisse auf nationalen und internationalen Konferenzen sowie Nutzerworkshops erfolgreich vorgestellt wurden. Im Projekt EnMAP2 soll auf den bisherigen Arbeiten der hyperspektralen Fernerkundung aufgebaut werden. Ein Schwerpunkt soll dabei auf die Entwicklung von robusten und übertragbaren Fernerkundungsprodukten in den Themenbereichen Exploration, Bergbau, Geologie und Boden gelegt werden, um zukünftige Satellitensysteme wie PRISM 2019, EnMAP 2020, Sentinel10 ~2025 oder ISS gestützte System wie DESIS 2018 oder HISUI 2019 effektiv nutzen zu können. Ein weiterer Schwerpunkt ist die Entwicklung und Implementierung terrestrischer und Drohnen-gestützter hyperspektraler Erkundung in Exploration, Bergbau, Boden und der Polarforschung. In diesem Zusammenhang ist sowohl die skalenübergreifende (Up and down scaling) Methodenentwicklung, d.h. vom Labor, über Aufschluss bis hin zur lokalen, regionalen und überregionalen/globalen Fernerkundung als auch die synergetische Nutzung der Hyperspektraldaten mit weiteren Geoinformationen aus Mineralogie, Geochemie und Geophysik vorgesehen.
Erste Bilder
Empfangen wurden die ersten Daten vom Deutschen Fernerkundungsdatenzentrum (DFD) sowie dem DLR-Institut für Methodik der Fernerkundung, die die Bilder auch prozessieren und archivieren. Denn die Daten, die der Satellit zur Erde schickt, sind für den Nutzer nicht direkt verwendbar. Nur wenn sie weiterverarbeitet, also kalibriert, mit Lage- und Positionsbestimmungen versehen sowie die Einflüsse der Atmosphäre korrigiert werden, können die Nutzer am Ende quantitative und qualitative Aussagen aus den Produkten ziehen. Dabei wurde die Kalibration dieser ersten Aufnahmen mit Daten, die vom Instrument im Labor gemessen wurden, durchgeführt. Im Rahmen der sogenannten Commissioning Phase, die sechs Monate dauert, werden diese Kalibrationen nun noch auf die Eigenschaften des Instrumentes im Orbit optimiert und die Datenqualität weiter verbessert.
Nachdem die Mission die "Launch and Early Orbit Phase" erfolgreich abgeschlossen hatte, wurden Stück für Stück die einzelnen Subsysteme des hochkomplexen Hyperspektral-Instrumentes unter Kontrolle des Deutschen Raumfahrtkontrollzentrums (GSOC) in Betrieb genommen.
Nun hat EnMAP erstmals einen Streifen von etwa 30 Kilometern Breite und 180 Kilometern Länge über Istanbul am Bosporus in der Türkei mit Europa und Asien aufgenommen und die Daten dann über die DLR-Bodenstation in Neustrelitz zur Erde heruntergesendet.
EnMAP - Erste Bilder (Bosporus) Quelle: DLR (Mai 2022) |
Wissenschaftliche Vorbereitung und Begleitung
Eine Besonderheit von EnMAP stellt die intensive wissenschaftliche Nutzungsvorbereitung und Begleitung der Satellitenmission dar, welche unter anderem die Entwicklung von Software für die hyperspektrale Datenauswertung, den Aufbau einer Online-Lehrplattform für die hyperspektrale Fernerkun dung und die Durchführung von Workshops und Schulungen umfasst. Sie hat zum Ziel, dass die Nutzergemeinschaft die Daten bestmöglich in Wert setzen kann, um sie für ein breites Spektrum von Fragestellungen auszuwerten und thematische Produkte abzuleiten. So werden Auswertealgorithmen in der EnMAP-Box, einer speziell für die Verarbeitung von Hyperspektraldaten erstellten Software, für die freie Verwendung zugänglich gemacht. Bevor EnMAP ins All gestartet ist, wurden die Auswertealgorithmen an Aufnahmen von flugzeuggetragenen Plattformen, die in einem eigenen Befliegungsprogramm erhoben werden, entwickelt und getestet.
In der Online-Lehrplattform HYPERedu werden Lehrmaterialien und Kurse für Studierende und Lehrende sowie Fachleute in Wissenschaft, Behörden und Firmen angeboten. Darüber hinaus werden Sommerschulen und Workshops organisiert, die dem Training und der Vernetzung der Nutzergemeinschaft dienen. Entsprechend der offenen Datenpolitik von EnMAP, werden nicht nur die EnMAP-Satellitendaten, sondern auch die quelloffene Software, Daten aus Befliegungskampgnen und Online-Schulungsmaterialien kostenfrei bereitgestellt.
Weitere Informationen:
- EnMAP - Missionsübersicht und Anwendungsfelder (GFZ Potsdam / DLR)
- Die deutsche Umweltmission EnMAP (DLR)
- EnMAP (Projekt-Portal)
- Beyond the Visible – Introduction to Hyperspectral Remote Sensing (EO College)
- EnMAP-Profil im CEOS EO Handbook (CEOS / ESA)
- EnMAP (eoPortal Directory)
- Spectroscopy Lab (USGS)