Lexikon der Fernerkundung

MERLIN

Engl. Akronym für Methane Remote Sensing LIDAR Mission; projektierte Klimamission mit einem deutsch-französischen Kleinsatelliten, die das Treibhausgas Methan (CH4)in der Erdatmosphäre beobachten soll. Mit Hilfe eines LIDAR-Instruments wird MERLIN ca. ab dem Jahr 2027 aus einer Höhe von 500 bis 650 km das Gas in der Erdatmosphäre aufspüren und überwachen. Ziel der dreijährigen Mission ist unter anderem die Erstellung einer globalen Weltkarte der Methankonzentrationen.

MERLIN
mit einfallenden und reflektierten LidarstrahlenMerlin mit einfallenden und reflektierten Lidarstrahlen Quelle: CNES

Der Methan-Haushalt umfasst die vom Menschen verursachten Emissionen aus der Landwirtschaft (z.B. Viehhaltung und Reisfelder) und der Abfallwirtschaft sowie aus der Produktion und Nutzung fossiler Brennstoffe (Kohle-, Gas- und Ölförderung). Die größten natürlichen Emissionen stammen aus der Zersetzung organischer Stoffe in Feuchtgebieten. Die Emissionen aus der Verbrennung von Biokraftstoffen und Biomasse sind sowohl natürlich als auch vom Menschen verursacht. Andere natürliche Quellen (z.B. geologische Prozesse, Seen, Flüsse, Termiten) sind ebenfalls wichtig, aber diese Quellen sind derzeit noch nicht sehr gut verstanden.

Methan als Klimaproblem

Methan ist nach Kohlendioxid (CO2) der zweitgrößte Beitrag zur anthropogenen Klimaerwärmung. Das von den Vereinten Nationen eingesetzte Wissenschaftlergremium Intergovernmental Panel for Climate Change (IPCC) bescheinigte Methan ein 25-fach höheres Potenzial zur globalen Erwärmung als CO2. Der weltweite Methangehalt stieg seit Beginn der Industrialisierung aufgrund anthropogener Emissionen auf die doppelte atmosphärische Konzentration an - der Gehalt von Kohlendioxid "lediglich" um 30 Prozent.

Methan-Emissionen, die von Menschen etwa - durch Lecks in Gaspipelines - verursacht werden, sind jedoch nicht so bekannt wie beispielsweise anthropogene CO2-Emissionen aus Kraftwerken und Fahrzeugabgasen. Weitere Emissionsquellen sind Abfall-Deponien, die Viehhaltung (Rinder), der Reisanbau sowie die unvollständige Verbrennung von Biomasse. Zusätzlich droht eine weitere, in seinem Ausmaß nicht abschätzbare Gefahr: In den Permafrostböden Russlands und Kanadas sind zurzeit die größten natürlichen Vorkommen von Methan gebunden. Tauen diese Böden bei einer weiter voranschreitenden globalen Erwärmung auf, könnte jenes Methan zusätzlich in die Atmosphäre entweichen und die Klimasituation weiter verschlimmern - dies stellt eine der größten Unsicherheiten in den Modellen für die zukünftige Entwicklung des Weltklimas dar.

Aus der folgenden Karte aus Daten des Instruments SCIAMACHY auf ENVISAT (M. b.) wird deutlich, dass die Methan-Konzentration über der Nordhemisphäre höher ist, da dort die meisten Methan-Quellen zu finden sind. Zu diesen Quellen gehören z. B. Feuchtgebiete, Reisfelder, Förderstätten von Gas und Öl, Kohlebergbau und Wiederkäuer (Rinder, Schafe). Rote Flächen markieren Hauptquellgebiete wie China, Indien, Sibirien und Teile der Tropen. Die Methan-Konzentration variiert jahreszeitlich sehr stark.

Um Klimaveränderungen zuverlässig vorhersagen und effektiven Klimaschutz betreiben zu können ist es dringend notwendig, den Methanzyklus besser zu verstehen. Die hochpräzise globale Vermessung und Kartierung des Methangehaltes in der Erdatmosphäre kann nur vom Weltraum aus erfolgen, da hierfür die Erde kontinuierlich und großräumig beobachtet werden muss. Besonders die Schlüsselregionen wie tropische Feuchtgebiete, Regenwälder und Permafrost-Regionen sind ohne Satelliten nur schwer zugänglich.

Globale Verteilung von Methan,
gemittelt über die Jahre 2003 bis 2011 Weltweite Verteilung von Methan 2003-2011 Quelle: ESA

Die Daten aus der jüngsten Vergangenheit sind beunruhigend: 2007 und 2008 stieg die atmosphärische Methankonzentration wieder deutlich an, nachdem sie mehr als zehn Jahre in etwa konstant war. Anthropogene Quellen, brennende Vegetation (etwa Wald- und Buschbrände), natürliche Emissionen von Feuchtgebieten oder explosionsartig vom Meeresboden zur Wasseroberfläche aufsteigende große Methanblasen kommen hier als mögliche Ursachen in Frage. Die tatsächlichen Ursachen für dieses Phänomen sind indes noch unbekannt. Hier soll die Mission Licht ins Dunkel bringen.

Aktive Fernerkundung mit dem Integrated Path Differential Absorption Lidar (IPDA)

Dargestellt ist das IPDA-Prinzip vom Flugzeug oder Satelliten aus (links), sowie ein Foto vom CHARM-F System an Bord des Forschungsflugzeugs HALO.

Das IPDA-Verfahren im nahen infraroten Spektralbereich besitzt das Potential, Treibhausgas-Säulen vom Flugzeug oder Satelliten aus mit bisher unerreichter Genauigkeit zu bestimmen. Dabei wird die Laserstrahlung auf zwei unterschiedlichen Wellenlängen genutzt, die vom zu messenden Gas unterschiedlich absorbiert werden und von sog. hard targets, d.h. entweder vom Boden oder Wolkenoberkanten, zurückreflektiert werden.

IPDA unterdrückt zu einem Großteil den Einfluss von Wolken bzw. Aerosolteilchen auf die Messung, der die Genauigkeit von passiven Fernerkundungsverfahren begrenzt. Darüber hinaus kann dieses Verfahren sowohl bei Tag als auch bei Nacht und über alle Breitengrade hinweg eingesetzt werden, da es nicht von Sonnenstrahlung abhängig ist.

Das IPDA-Verfahren wird auch bei der deutsch-französischen Klimamission MERLIN eingesetzt, die im Jahr 2023 gestartet werden soll. In diesem Zusammenhang wurde am DLR-Institut für Physik der Atmosphäre ein Flugzeug getragener Demonstrator namens CHARM-F entwickelt, der in der Lage ist, beide Treibhausgase (CO2 und CH4) gleichzeitig zu messen.

Aktive Fernerkundung mit dem IPDA IPDA-Prinzip, CHARM-F-System Quelle: AIRSPACE

Die Vorteile von LIDAR

Die bisher zur Methanbeobachtung eingesetzten Instrumente SCIAMACHY auf dem inzwischen inaktiven europäischen Umweltsatelliten ENVISAT und der japanische Satellit GOSAT arbeiten mit so genannten passiven Instrumenten. Das heißt, sie nutzen das vom Erdboden zurück gestreute Sonnenlicht, um den Spurengasgehalt (beispielsweise CO2) in der Atmosphäre zu messen. Sie sind somit auf Tageslicht angewiesen und liefern nur bei klarem Himmel optimale Messwerte.

Ein LIDAR hingegen verfügt als aktives Instrument über eine eigene "Beleuchtung" (den Laser) und kann somit auch bei Nacht oder selbst durch dünne Zirruswolken hindurch messen. Zur Messung der Konzentration eines bestimmten Spurengases werden Lichtpulse in zwei nah beieinander liegenden Wellenlängen ausgesandt. Die eine Wellenlänge wird von dem gesuchten Spurengas absorbiert (Lambda-on), die andere nicht (Lambda-off). Aus der Differenz der beiden zurückgesandten Signale kann die Methankonzentration sehr genau bestimmt werden. Die Messwerte, die der Satellit aufzeichnet, können von Wissenschaftlern mit Hilfe von Daten über Windgeschwindigkeiten und -richtungen in globale Methanverteilungskarten umgerechnet werden. Diese Methode der so genannten inversen Modellierung führt zu Darstellungen, aus denen die tatsächlichen regionalen Methanflüsse abgeleitet werden können.

Zwischen CNES und DLR wurde die Durchführung einer gemeinsamen wissenschaftlichen Vorstudie und einer Machbarkeitsstudie in den Jahren 2010 und 2011 vereinbart. Frankreich wird mit dem Gesamtsystem und dem Satellitenbus - einer sogenannten Myriade-Plattform - sowie dem Betrieb des Satelliten und mit der Startrakete betraut. Deutschland soll das LIDAR-Instrument an Bord des Satelliten entwickeln. Beide Nationen kümmern sich gemeinsam um das Nutzlastbodensegment und die wissenschaftliche Auswertung der Methandaten.

Das Prinzip des Methan-LIDAR (Light Detection and Ranging), also des "Lichtradars", funktioniert von seiner Position im Weltall genauso wie bei seinem erdnahen Gegenstück an Bord eines Hubschraubers: Das Messinstrument, das das DLR gemeinsam mit den Firmen ADLARES GmbH und E.ON Ruhrgas AG entwickelt hat, sendet Lichtimpulse zur Erde und empfängt die vom Boden reflektierte impulsförmige Strahlung. Trifft der Impuls auf Methan, wird er dadurch geschwächt zum Messinstrument zurückgegeben. Auf diese Weise stellt das Lichtradar auf dem Hubschrauber Lecks an Erdgasleitungen fest, an denen Methan austritt.

Statt lediglich acht Kilometer Leitungen am Tag zur Kontrolle abzulaufen, können so pro Stunde 50 Kilometer mit dem CHARM-System (CH4 Airborne Remote Monitoring) überprüft werden.

Das Messinstrument im Weltall hat allerdings keine Erdgasleitungen im Blick, sondern sucht pro Stunde 25.000 km nach natürlichen und vom Menschen verursachten Methanquellen ab. 50 Mal pro Sekunde wird es den Laserstrahl zur Erde senden und empfangen. Mit den Messwerten erhält man dann eine Art Weltkarte mit den atmosphärischen Methankonzentrationen und sieht auch regionale Unterschiede (vgl. Grafik).

Merlin - Messprinzip des Methan-Lidars merlin Quelle: DLR

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