Lexikon der Fernerkundung

ATV

Engl. Akronym für Automated Transfer Vehicle, automatischer Raumtransporter; der ATV war ein von der Europäischen Weltraumorganisation (ESA) entwickeltes Trägerfahrzeug, das zwischen 2008 und 2015 für den Transport von Fracht im Weltraum eingesetzt wurde. Die ATV-Konstruktion wurde fünfmal in die Erdumlaufbahn gebracht, und zwar ausschließlich mit der Ariane-5-Schwerlastträgerrakete. Es war praktisch das größere europäische Gegenstück zum russischen Progress-Frachtraumschiff für den Transport von Masse zu einem einzigen Zielort - der Internationalen Raumstation (ISS) -, hatte aber die dreifache Kapazität.

Das ATV sorgte auch für die notwendigen Höhenkorrekturen der Station. Ohne die Bahnanhebungsmanöver mit den ATV und den kleineren russischen Progress-Fahrzeugen würde die ISS mit der Zeit absinken und letztlich auf die Erde fallen. Die ATV sind die technisch anspruchsvollsten Raumfahrzeuge, die je in Europa entwickelt wurden, und zugleich die größten und leistungsfähigsten Frachttransporter, die an der ISS andocken.

Auch wenn das ATV ein „Wegwerfprodukt“ war, war seine Verwendung nicht unbedingt teurer als die Versorgung mit dem (wiederverwendbaren) Space-Shuttle-Orbiter, da dort Sicherheitsaspekte gegenüber der Besatzung beträchtliche Kostensteigerungen mit sich brachten.

Der Prototyp 'Jules Verne' des ATV startete im März 2008 an Bord einer speziellen Ariane 5 von Kourou aus. In den mehreren Monaten, in denen es an die ISS angekoppelt blieb, sorgte das ATV dafür, dass die Station mit so genannten ‘Reboost‘-Manövern wieder angehoben wurde. Am Ende seiner sechsmonatigen Mission nahm das ATV Abfälle auf und verglühte kontrolliert in der Atmosphäre.

Auch das vierte Automatische Transferfahrzeug der ESA 'Albert Einstein', schloss am 2. November 2013 um 13.04 Uhr MEZ - beladen mit Abfällen - mit seinem kontrollierten Wiedereintritt in die Erdatmosphäre und sicheren Verglühen über einem unbewohnten Gebiet des Südpazifik seine fünfmonatige Mission zur Versorgung der Internationalen Raumstation (ISS) ab. Nach den bisherigen vier Starts im März 2008, Februar 2011, März 2012 und Juni 2013 erfolgte ein letzter Flug (ATV-5) im Juli 2014. Das ATV „Georges Lemaître“ transportierte eine Nutzlast von 6.500 Kilogramm zu den Bewohnern der ISS. Mit an Bord sind neben Dingen des alltäglichen Weltraumlebens wie Kaffee oder Käsespätzle und Nachschub für Treibstoff, Wasser und Atemluft auch Experimente wie der elektromagnetische Levitator EML, ein Schmelzofen, den der deutsche ESA-Astronaut Alexander Gerst eingebaut und erstmals in Betrieb genommen hat.

Die Konzeptstudie „ATV Evolution Scenarios“ der ESA sieht das ATV als Basis zur Entwicklung zukünftiger Raumschiffe. Beweggründe sind zum einen das Auslaufen des amerikanischen Space-Shuttle-Programms im Jahre 2010, da bis zur Einführung des geplanten Orion-Raumschiffes ab 2022 nur die russischen Sojus-Raumschiffe zum Transport von Astronauten zur ISS zur Verfügung stehen und zum anderen die Unterstützung der europäischen Raumfahrtindustrie, um die Unabhängigkeit zu gewährleisten.

Der europäische Weltraumfrachter ATV
beim Laser-geleiteten Andocken an die ISS ATV beim Andocken Quelle: ESA

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