Lexikon der Fernerkundung

Aufklärungssatellit

Engl. reconnaissance satellite, franz. satellite de reconnaissance, dt. ugs. auch Spionagesatellit; Aufklärungssatelliten sind operationelle Unterstützungssysteme, die zu militärischen oder nachrichtendienstlichen Zwecken eingesetzt werden. Dazu gehören Kommunikationssatelliten zur Überwachung von Kommunikation im Radiobereich und Erdbeobachtungssatelliten mit hochauflösenden optischen Sensoren oder Radarinstrumenten.

Die von Erdbeobachtungssatelliten gewonnenen Bilder liefern beispielsweise Informationen über Truppenbewegungen, Truppenstärke, Kampfhandlungen oder Ähnliches. Besondere Bedeutung haben Satelliten als Frühwarnsysteme vor Raketenangriffen. Unterstützungssysteme dienen auch der Sicherstellung der Führung der eigenen Kräfte im Konfliktfall. Insbesondere sind dies Mittel und Systeme zur Kommunikation und Navigation sowie zur Ermittlung der geographischen und meteorologischen Einsatzbedingungen.

Gleichermaßen können Informationen über zivile oder Naturkatastrophen, über Ernteaussichten usw. von nachrichtendienstlichem Interesse sein. Um eine möglichst hohe Auflösung des Zielgebietes zu erhalten, werden Aufklärungssatelliten zur Beobachtung in einen niederen Orbit abgesenkt und später wieder angehoben. Dieses Vorgehen ist sehr teuer und beschränkt die chemisch angetriebenen Satelliten stark in ihrer Lebensdauer. Es begründet jedoch in der Hauptsache den Qualitätsunterschied zu zivilen Erdbeobachtungssatelliten.

Die Technik von Aufklärungssatelliten unterscheidet sich nicht grundsätzlich von der Technik ziviler Erdbeobachtungssatelliten. Zu einem besonderen Merkmal gehören aber Verschlüsselungstechnologien für die Datenübermittlung.

Typen von Aufklärungssatelliten (Systeme und Technologien):

Optische Missionen

Satelliten zur optischen (im sichtbaren und infraroten Spektralbereich) Aufklärung werden im LEO eingesetzt und dienen zur Detailaufklärung und Zielerfassung sowie zur Voreinweisung anderer Sensorsysteme. Sie erfassen jedoch nur einen Streifen am Erdboden längs der Flugrichtung bis etwa 200 km nach jeder Seite (maximale Auflösung nur auf etwa 10 km Breite). Weiterhin wird ein vorgegebenes Gebiet, je nach Zahl der eingesetzten Satelliten, nur in Abständen von Stunden bis einigen Tagen abgedeckt. Während kommerzielle zivile Satelliten im sichtbaren Spektralbereich Bilder mit Auflösungen im Meterbereich anbieten, erzielen militärische Satelliten eine Auflösung von etwa 10 bis 15 cm. Hierfür müssen teleskopartige photographische Systeme mit großen Spiegeln (Teleskopdurchmesser mindestens 3 m) eingesetzt werden, so dass auch die Satellitenplattform entsprechende Ausmaße haben muss. Allerdings nähert man sich wegen der atmosphärischen Turbulenzen bei der Auflösung bereits einer nur schwer oder gar nicht zu überwindenden Grenze. Mit IR-Sensoren sind typischerweise Auflösungen im Meterbereich erreichbar.

Niedrige Umlaufbahnen sind vorteilhaft in Bezug auf die Auflösung. Sie haben jedoch den Nachteil, dass die Lebensdauer von Satelliten mit abnehmender Höhe aufgrund der Luftreibung rapide sinkt. Satelliten zur optischen Aufklärung haben daher nur eine geringe Lebensdauer von einigen Wochen bis zu maximal drei bis fünf Jahren. Damit hängt die optische Aufklärung von der verfügbaren Startkapazität ab.

Kommerzielle Satelliten werden während Kriegen gerne von einer der Konfliktparteien gebucht, um die eigenen Kapazitäten zu erweitern oder um der anderen Partei den Zugriff darauf zu verwehren. Auch sind einige weitere, eigentlich nichtmilitärische, Erdbeobachtungssatelliten im Dual Use verwendbar.

Die erste Generation von Aufklärungssatelliten (z. B. Corona und Zenit) nahm analoge Photos auf und stieß dann Behälter mit dem photographischen Film ab, wonach sie zur Erde fielen. Corona-Kapseln wurden in der Luft aufgefangen, während sie an Fallschirmen herunterschwebten. Später erhielten die Satelliten digitale Aufnahmesysteme und schickten die Bilder über verschlüsselte Funkstrecken zu Bodenstationen.

Die verschiedenen Generationen und Varianten von Satelliten der Vereinigten Staaten zur optischen Aufklärung seit 1960 werden zumeist mit Keyhole (KH) bezeichnet. Sie werden alle im LEO eingesetzt. Die Details der aktuellen Satelliten und ihrer Missionen werden nicht veröffentlicht. Die meisten Informationen über Programme der USA beziehen sich auf die Zeit bis 1972, da diese Informationen aufgrund ihres Alters freigegeben wurden. Einiges Material aus dieser Zeit ist noch immer geheim, und einige wenige Informationen über nachfolgende Missionen sind verfügbar.

Frankreich betreibt seit 1995 zusammen mit Italien und Spanien zwei optische Aufklärungssatelliten (HELIOS IA, HELIOS IB) im niedrigen polaren Orbit. Diese Satelliten liefern ca. 100 digitale Bilder pro Tag mit einer Auflösung von 1 bis 5 m. Nachteilig ist, dass nur im sichtbaren Teil des Spektrums gearbeitet wird und dadurch das System auf Tageslicht und klare Sicht angewiesen ist. Das Nachfolgesystem HELIOS II besteht ebenfalls aus zwei Satelliten im niedrigen polaren Orbit und arbeitet auch im IR und mit höherer Auflösung (0,8 m) sowie mit verbesserter Wiederholrate. Das neue Nutzer-Bodensegment wurde 2003 in Dienst gestellt und der erste Satellit der neuen Generation Helios IIA, wurde von der Trägerrakete Ariane am 18. Dezember 2004 in die Umlaufbahn gebracht. Das System verarbeitet auch Daten vom weiterhin eingesetzten HELIOS IA. HELIOS IIB wurde im Dezember 2009 gestartet.

HELIOS II gilt nicht nur als bahnbrechender Fortschritt im Hinblick auf die Fähigkeit Europas, satellitengestützte militärische Aufklärungsdaten zu nutzen, sondern eröffnet auch neue Dimensionen für die europäische Verteidigung.

Sowohl von China als auch von Israel ist bekannt, dass sie über eigene Aufklärungssatelliten verfügen. Zusätzlich werden vom israelischen Verteidigungsministerium auch kommerzielle optische Satelliten mitbenutzt.

Radar-Missionen

Radar kann wellenlängenbedingt auch durch Wolken dringen und ist als aktives System unabhängig von externer Beleuchtung. Radarsysteme können daher zur wetter- und tageszeitunabhängigen kontinuierlichen Aufklärung eingesetzt werden. Nachteilig im Vergleich zu optischen Satelliten ist vor allem der hohe Strombedarf im Satelliten aufgrund des aktiven Radarbetriebs. Neben der Überwachung größerer Bereiche mit Erfassung und Verfolgung von Punktzielen ist mit Radar auch eine bilderzeugende Aufklärung möglich. Derzeitige operationelle Radarsatelliten werden überwiegend zur Bildgewinnung eingesetzt. Beim geplanten US-amerikanischen raumgestützten Radar (SBR, Space-Based Radar) wird die Erfassung und Verfolgung von Punktzielen mit einbezogen, wie Flugzeuge, Meeresschiffe (vergleichbar dem sowjetischen US-A-Programm) und potentiell auch Landfahrzeugen.

Ein gutes Radar-Auflösungsvermögen kann mit sehr großen Antennen (reale Apertur) oder weniger aufwendig mit der so genannten Technik der synthetischen Apertur (Synthetic-Aperture Radar, SAR) erreicht werden. Dabei wird mit bewegtem Radarsensor die Abbildungsqualität einer großen Antenne synthetisch durch Aufsummierung der Rückstreusignale während des Überfluges erreicht. Bei dieser Betriebsart wird mit schwenkbaren Antennen ein spezielles Zielgebiet während des gesamten Überfluges abgetastet. Das maximale Bodenauflösungsvermögen eines SAR-Satelliten liegt im Meterbereich und damit fast bei photographischer Qualität. Durch Tandem-Interferometrie (d.h. den Vergleich von zwei aus benachbarten Positionen aufgenommenen Bildern derselben Szene) ist auch die Erschließung der dritten Dimension möglich.

In den USA begann 1983 die Entwicklung für einen SAR-Satelliten unter dem Namen Lacrosse bzw. Onyx. Der erste Start erfolgte dann im Dezember 1988 mit einem Space Shuttle. Markantes Merkmal der Lacrosse-Satelliten ist eine sehr große Radarantenne. Auch die Solar-Panels müssen sehr groß sein, um die erforderliche elektrische Energie für den Radarbetrieb zur Verfügung zu stellen.

Die Sowjetunion verfügte seit Mitte der 1960er Jahre immer mindestens über einen operationellen optischen Aufklärungssatelliten, z.B. aus der Jantar-Serie. Anfang 1980 wurden die Neman-Satelliten (alt. Bezeichnung: Jantar-4KS1) eingeführt. Sie arbeiten elektrooptisch und nehmen digitale Bilder auf, die entweder direkt zur Kontrollstation oder über einen Relaissatelliten im GEO (Potok/Geizer-Baureihe) gesendet werden. Eine hohe Qualität war bei elektrooptischen Aufnahmen immer noch schwerer zu erreichen als bei Filmaufnahmen. Wahrscheinlich aus diesem Grund wurden die 1989 eingeführten neuen Don-Satelliten wieder mit Filmkameras ausgestattet. Sie haben zehn bis zwölf Filmrückkehrkapseln, die in Intervallen von sieben bis zehn Tagen zur Erde zurückkehren, während der Satellit weiter im Orbit verbleibt und am Ende der Mission zerstört wird. Vermutlich eine Weiterentwicklung der Don-Satelliten sind die Jenissej-Satelliten, die erstmals 1994 geflogen sind. Sie sollen 22 Filmkapseln tragen und werden am Ende der Mission nicht mehr zerstört, sondern durch Wechsel auf andere Bahnen aus dem Orbit entfernt. Aktuell betreibt Russland Radarsatelliten aus der Kondor-Serie als Nachfolger der sowjetischen RORSAT and Almaz-T-Serien.

Man darf davon ausgehen, dass der chinesische Radarsatellit Huanjing-1C neben zivilen auch militärische Aufgaben besitzt. Japan betreibt den Information Gathering Satellite (IGS), und Italien den Cosmo-SkyMed.

SAR-Lupe ist ein deutsches Satellitenaufklärungssystem zur Vervollständigung der Aufklärungsfähigkeit europäischer Streitkräfte. Es besteht aus fünf identischen Kleinsatelliten und einer Bodenstation (Erdfunkstelle) zur Satellitenkontrolle und zur Bildauswertung. Neue bilaterale Vereinbarungen (Frankreich-Deutschland, Frankreich-Italien) werden den gemeinsamen Zugriff auf die von HELIOS II, dem deutschen Radarsatellitensystem SAR-Lupe und dem italienischen System Cosmo-SkyMed gelieferten Daten ermöglichen.

Eine andere Option zur militärischen Nutzung von Satellitenbildern wird mit dem Betrieb des Satellitenzentrums der Europäischen Union (SatCen) in Torrejón (Spanien) verfolgt. Hier werden neben den Hélios-Bildern vor allem kommerziell erhältliche Bilder ausgewertet, die z.B. für den Kosovo-Einsatz der NATO schon von der Vorläuferorganisation EUSC genutzt wurden. Generell unterstützt das SatCen die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) durch auf Weltrauminfrastrukturen und Zusatzdaten basierende Dienste.

Weitere Informationen:


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