Lexikon der Fernerkundung

visuelle Bildinterpretation

Engl. visual image interpretation; Bildinterpretation durch einen menschlichen Beobachter als hochkomplexer Prozess über visuelle Wahrnehmung und fachkundliche Interpretation. Die Interpretationsergebnisse bzgl. Vollständigkeit und Genauigkeit hängen von der Fähigkeit des Interpreten ab, den Bildinhalt bewusst oder unbewusst zu analysieren. Zur Analyse gehört die Identifikation verschiedener natürlicher oder künstlich geschaffener Objektziele, die aus Punkten, Linien oder Flächen bestehen.

durch visuelle Wahrnehmung und deren menschliche sowie fachkundliche Interpretation.

Wenn man die Objekte direkt von oben betrachtet, bieten sie eine sehr ungewohnte Perspektive. Kombiniert mit einem von der Wirklichkeit stark verschiedenen Abbildungsmaßstab und dem Fehlen erkennbarer Einzelheiten kann dies selbst ein vertrautes Objekt schwer oder nicht erkennbar machen. Und schließlich sind wir es gewohnt, nur im sichtbaren Spektralbereich zu sehen, und die bildhafte Darstellung von Wellenlängen außerhalb dieses Fensters ist für uns schwieriger zu verarbeiten.

Bei der Interpretation können zwei Arbeitsstufen unterschieden werden:

Folgende Elemente der Interpretation besitzen grundlegende Bedeutung in dem stark deduktiven Interpretationsprozess:

Form und Gestalt

Form und Gestalt (shape) - viele Landschaftselemente können mit guter Sicherheit allein aufgrund ihrer Form, ihrer Umrisse identifiziert werden. Dazu sollte die Objektform aus der Sicht von oben bekannt sein. Die Krone eines Laubbaumes z.B. sieht oft kreisförmig aus, die eines Nadelbaumes eher unregelmäßig. Künstlich geschaffene Objekte (Stadtstrukturen, Feldparzellen) sind meist an ihren (oft geraden) Formen identifizierbar. Ähnlich leicht erkennbar sind Sportstadien oder Felder mit Karusselbewässerung.

Größe

Größe (size) - Größen bzgl. Länge, Breite, Höhe von Objekten können wichtig zum Erkennen von Merkmalen sein. Sie sind eine Funktion des Maßstabs. Häufig kann die ungefähre Größe eines Objekts durch Vergleich mit vertrauten Merkmalen abgeschätzt werden.

Schatten

Schatten (shadow) - bei schräger Beleuchtung sind Schlagschatten für die Bildinterpretation sehr hilfreich. Ihre Formen bieten gewissermaßen 'Profile' von Objekten und enthalten Höheninformationen über Türme, große Gebäude usw. sowie Forminformationen aus nicht-vertikaler Sicht, wie z.B. die Gestalt einer Brücke. Vor allem bei Radarbildern sind Schatten wichtig für die Hervorhebung der Topographie. Andererseits können Schatten in ihrem Erstreckungsbereich die Interpretation erschweren oder unmöglich machen, da dort Zielobjekte schwerer oder gar nicht von der Umgebung unterscheidbar sind.

Helligkeit

Helligkeit und Farbe (tone and colour) - Helligkeitskontraste in SW-Bildern oder Helligkeit, Farbe und Sättigung in Farbbildern enthalten wichtige Schlüssel zur Objekterkennung. Helligkeitsunterschiede helfen auch bei der Unterscheidung der Elemente Form, Textur und Muster.
Es ist hervorzuheben, dass die Bildwiedergabe eines Objekts durch ein komplexes Zusammenspiel von Objekt-, Sensor- und Beleuchtungsparametern entsteht. Daher sind oft nicht die absoluten Werte sondern die Unterschiede in Ton und Farbe informativ. Von besonderer Wichtigkeit sind die Unterschiede zwischen Bildern im sichtbaren und im infraroten Spektralbereich.

Muster

Muster (pattern) - häufiges, meist regelmäßiges Auftreten einer Objektart im betrachteten Raum. So können aus Reihen von Gebäuden, regelmäßig geformten Äckern, Autobahnkreuzungen, Obstbaumpflanzungen usw. Informationen abgeleitet werden. In der Geologie dienen die Muster von Entwässerungsnetzen dazu, Rückschlüsse auf die vorliegende Tektonik oder Gesteinsbeschaffenheit zu gewinnen.

Textur

Textur (texture) - der visuelle Eindruck einer Oberflächenstruktur, welcher durch die Summe sich wiederholender kleiner Muster mit ihrer Anordnung und ihrem mehr oder weniger großen Hellikeitswechsel entsteht. Die Muster sind dabei zu klein, um einzeln erkannt zu werden. Die Texturwirkung hängt direkt vom Bildmaßstab ab.
Grobe Texturen haben abrupte Wechsel der Grautöne auf kleiner Fläche, wohingegen sanfte Texturen geringe Helligkeits-variationen aufweisen. Sanfte Texturen ergeben sich meist als Ergebnis gleichförmiger, glatter Oberflächen wie im Falle von Äckern, Grasflächen oder Asphalt. Ein Walddach mit seiner unregelmäßiger Struktur weist hingegen eine rauhe Textur auf. Bei Radarbildern ist die Textur eines der wichtigsten Elemente zur Unterscheidung von bestimmten Charakteristiken.

Assoziation

Assoziation und Kontext (association and context) - die spezifische Anordnung von Elementen, geographische Charakteristika, Strukturen der Umgebung oder die Nachbarschaft eines Objekts können wichtige Bildinformationen vermitteln. In dem nebenstehenden Beispiel kann der See leicht mit Booten, einem Hafen und benachbartem Freizeitgelände assoziiert werden.

Stereoeffekt

Stereoeffekt (stereoscopic appearance) - Stereobetrachtung von Bildpaaren kann sehr hilfreich sein, weil sie Informationen liefern kann, die aus Einzelbildern wegen ihrer fehlenden Tiefenwirkung nicht zu gewinnen sind. Hier ein aus einem Bildpaar gewonnenes Anaglyphenbild.


Quelle (Bilder): Canada Centre for Mapping and Earth Observation / ISR

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