Lexikon der Fernerkundung

Galileo (Satellitennavigationssystem)

Im Aufbau befindliches europäisches Satellitennavigations- und Positionsbestimmungssystem. Dieses Navigationssystem wurde nach einer gemeinsamen Initiative der Europäischen Union mit der Europäischen Weltraumorganisation (ESA) entwickelt und finanziert. Galileo soll in den Sektoren Verkehrswesen, soziale Einrichtungen, Justiz und Zoll, Bauwesen, Not- und Rettungsdienste oder in Freizeitsektoren eingesetzt werden. Ursprünglich wurde Galileo nur für zivile Zwecke konzipiert und unterliegt, anders als das US-amerikanische NAVSTAR-GPS, das russische GLONASS und das chinesischen BeiDou, nicht einer nationalen militärischen Kontrolle. Galileo wird aber, durch die vom Europäischen Parlament im Juli 2008 verabschiedete Entschließung zu den Themen Weltraum und Sicherheit, für Operationen im Rahmen Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik (GSVP) „zur Verfügung stehen“.

Hierfür gibt es ein verschlüsseltes und schwerer zu störendes Signal, das unter der Bezeichnung PRS, für "Public Regulated Service" geführt wird. Die Europäische Union stellt dieses System auch den Sicherheitsbehörden wie der Polizei, den Küstenwachen und Feuerwehren sowie den Rettungsdiensten zur Verfügung. Ebenso wird es durch die jeweiligen Regierungen autorisierten Betreibern sensibler Sicherheitsinfrastruktur zur Verfügung gestellt.

Die technische Beteiligung an PRS obliegt Firmen in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union. Drittstaaten sind ausgeschlossen. Anfang 2018 gab die EU bekannt, Großbritannien nach dem EU-Austritt des Vereinigten Königreichs vom Galileo-Projekt auszuschließen, da die EU keine sensiblen Daten mit Staaten teile, die nicht der EU angehörten. Am 2. Dezember 2018 kündigte Premierministerin Theresa May an, dass sich Großbritannien aus dem militärischen Teil des Satellitenkommunikationssystems Galileo PRS zurückziehen werde, da britische Unternehmen infolge des Austritts aus der Europäischen Union (EU) nach Angaben der Europäischen Kommission nicht mehr beteiligt werden. Es gebe Planungen für eine Zusammenarbeit mit Australien, Neuseeland und möglicherweise Kanada für ein eigenes Navigationssystem.

Die Vereinigten Staaten standen Galileo zunächst skeptisch gegenüber, vor allem im Hinblick auf die Gefahren einer unkontrollierten militärischen Nutzung. Nachdem Bedenken bezüglich einer technischen Beeinflussung des NAVSTAR-GPS-Systems ausgeräumt wurden, sind oder waren die USA bestrebt, Zugang zum militärischen Dienst von Galileo (PRS) zu erhalten. Galileo ist mit GPS und GLONASS interoperabel..

Folgende Staaten außerhalb der Europäischen Union beteiligen sich ebenfalls: China, Indien, Israel, Marokko, Saudi-Arabien, Schweiz, Norwegen, Südkorea, Ukraine. Weitere Staaten verhandeln über eine Teilnahme. Die USA standen und stehen Galileo skeptisch gegenüber, vor allem im Hinblick auf die Gefahren einer unkontrollierten militärischen Nutzung. Bedenken bezüglich einer technischen Beeinflussung des NAVSTAR-GPS-Systems konnten inzwischen ausgeräumt werden.

Infografik: Galileo in Space Infografik: Galileo in Space Quelle: ESA

Grundlagen

Galileo basiert im Endausbau auf 30 Satelliten (27 plus drei Ersatz), die die Erde in einer Höhe von etwa 23.260 km mit 3,6 km/s umkreisen, und einem Netz von Bodenstationen, die die Satelliten kontrollieren. Empfänger in der Größe einer Computer-Maus können aus den Funksignalen der Satelliten die eigene Position mit einer Genauigkeit von ungefähr vier Metern bestimmen. Bei Verwendung von Zusatzinformationen und/oder -diensten lässt sich ähnlich wie bei anderen satellitengestützten Navigationssystemen (GNSS) die Positionsgenauigkeit in den Zentimeterbereich steigern.

Die im Orbit positionierten Satelliten sind dreiachs-stabilisiert und dadurch permanent auf die Erde ausgerichtet. Nur die Solarpanele rotieren relativ zum Satellitenkörper. Auf diese Weise erhalten die Solarzellen ständig genügend Sonnenlicht für die Energieerzeugung.

Jeder Galileo-Satellit hat drei Nutzlast-Komponenten an Bord:

2 Galileo-Satelliten mit FregatGalileo-Satelliten mit Fregat-Oberstufe Quelle: ESA

Technische Daten

Satellitenkonstellation

30 Satelliten umkreisen im Endausbau die Erde auf drei Bahnebenen mit einer Inklination von 56° in einer Walker-Konstellation (27/3/1). Pro Bahnebene sind neun Satelliten vorgesehen plus zusätzlich ein Reservesatellit. Sie haben einen Abstand von 40° mit einer Abweichung von maximal 2°, entsprechend 1000 km. Bei einer Höhe von 23.222 km über der Erdoberfläche benötigen die Satelliten etwa 14 Stunden für einen Umlauf. Nach 17 Umläufen oder 10 Tagen wiederholt sich das Muster der Bodenspur.

Die vorgesehene Flotte von 30 Satelliten wird mit hochpräzisen Rubidium- und Wasserstoffmaser-Atomuhren ausgestattet. Der einzelne Satellit sendet ein Signal, mit dem er seine genaue Position übermittelt, und die Zeit, zu der das Signal gesendet wird. Der Empfänger - ob im Ruhezustand oder in Bewegung - kann nun die Zeit bestimmen, die das Signal benötigt hat, um ihn zu erreichen und so seine Entfernung zum Satelliten errechnen (Einweg-Laufzeitmessung). Dazu sind Signale von mindestens vier Satelliten nötig, da es vier Unbekannte gibt: Position (x, y, z) und die Empfängerzeit (t). Die Position der Satelliten ist dem Empfänger durch Ephemeriden bekannt.

Mit dieser Satellitenkonstellation wird erreicht, dass stets mindestens vier Satelliten, in der Regel jedoch sechs bis acht, für den Nutzer des Galileo-Systems Daten liefern können. Insgesamt bilden also 27 operationelle Galileo-Satelliten das europäische Navigationssatellitensystem im Weltraum.

Die hohe Umlaufbahn wurde bewusst gewählt, denn aus ihr resultiert eine geringe Winkelgeschwindigkeit der Satelliten, was eine längere Sichtbarkeit über dem Erdhorizont bedeutet. Außerdem treten in dieser Höhe keine störenden Wechselwirkungen mit der Erdatmosphäre auf, so dass nur selten Korrekturmanöver erforderlich sind. Damit kann ein zuverlässiger Betrieb über viele Jahre gewährleistet werden.

Galileo-Konstellation aus 24 Satelliten auf 3 Orbitalebenen
und zusätzlich 2 Ersatzsatelliten pro Orbit Galileo-Konstellation Quelle: ESA

Nutzung

Galileo sichert Europa und Deutschland den unabhängigen und verlässlichen Zugang zur Schlüsseltechnologie Satellitennavigation. Das System wird Informationen bezüglich der Position von Nutzern aus bestimmten Sektoren liefern können, z.B. dem Verkehrswesen (Fahrzeugortung, Nachverfolgung von Lieferungen, Geschwindigkeitskontrolle, die Zurverfügungstellung von Echtzeit-Fahrgastinformation im ÖPNV, Verkehrsleitsysteme, Nutzung von Car Sharing-Modellen im urbanen Raum, sichere Anflugverfahren), Precision Farming, Sozialdiensten (Hilfe für Behinderte oder Senioren), Justiz- und Zollkontrollwesen (Aufspüren von Verdächtigen, Grenzüberwachung), Rettungswesen, das Notrufsystem eCall, Schutz kritischer Infrastruktur wie Strom-, IT- oder Kommunikationsnetze, Freizeitbereich oder in den Sektoren Finanzen und Versicherungen. In der Kombination von mobiler Telekommunikation, Informationsdiensten und Navigation liegen außerordentliche Marktpotenziale.

Das Wertschöpfungspotential satellitengestützter Anwendungen bietet enorme Wachstums- und Wohlstandschancen für Europa und Deutschland.

Das europäische System ist vorwiegend auf die Bedürfnisse ziviler Nutzer zugeschnitten. Im Gegensatz zum amerikanischen NAVSTAR-GPS kann mit Galileo zukünftig die Verfügbarkeit eines Signals garantiert werden, mit dem sich die Position bis auf wenige Meter genau bestimmen lässt. Beim amerikanischen System funktionierte dies in Kriegszeiten nicht, da die Militärs dann das Signal entweder stark vergröberten oder ganz ausschalteten.

Dennoch ist Galileo nicht alleine als Konkurrenzprodukt zum GPS zu verstehen. Vielmehr sollen sich GPS und Galileo zum Globalen Navigationssatellitensystem (GNSS-2) ergänzen. Zukünftige Endgeräte werden in der Lage sein, die Signale beider Satellitensysteme zu verarbeiten und ermöglichen so auch eine Positionsbestimmung unter schwierigen Bedingungen, beispielsweise in engen Hochgebirgstälern oder in den Häuserschluchten der Großstädte. Die Seite The Galileo device directory bietet u. a. eine aktuelle Übersicht über Galileo-taugliche Smartphones.

Die verschiedenen Galileo-Dienste im Überblick:

Infografik: Galileo rettet Leben Galileo rettet Leben Quelle: ESA

Sobald 30 Satelliten im Einsatz sind, will die Galileo-Behörde GSA in Prag weitere Dienste anbieten, vor allem sicherere und noch präzisere Signale. Die Rede ist von 20 Zentimetern Auflösung, was für das autonomes Fahren wichtig wäre. Derzeit kann Galileo in Kombination mit GPS bis zu 30 Zentimeter erreichen.

Wirtschaftliche Relevanz

Die durch das europäische Satellitennavigationssystem ermöglichten Anwendungen reichen weit über die bloße Positionsbestimmung eines Benutzers und über die reine Zeitbestimmung hinaus. Die Galileo-Anwendungen werden auf integrierten Diensten beruhen, indem Navigationsdaten mit weiteren Informationsschichten wie beispielsweise geographischen Informationssystemen und Datenbanken kombiniert werden.

GALILEO ermöglicht Europa und Deutschland den direkten und fairen Zugang zum Wachstumsmarkt Satellitennavigation. Weltweit wird dieser auf EUR 175 Milliarden geschätzt (Quelle: GSA Market Report, Issue IV). Bis 2020 wird ein Anstieg der GNSS-fähigen Produkte (Global Navigation Satellite System) von heute rund 5 Milliarden in 2017 auf 8 Milliarden weltweit erwartet – jeder Mensch auf der Erde wird dann im Schnitt also ein Gerät besitzen, das Satellitennavigation verwendet.

Darüber hinaus ist die deutsche Raumfahrtindustrie umfassend an Aufbau und Betrieb des Systems beteiligt. Alle bisher beauftragten Satelliten wurden in Deutschland von Astrium Deutschland (heute: Airbus Defence & Space; 4 Satelliten) sowie der OHB System AG (22 Satelliten) gebaut. Die OHB System AG fertigt im Team mit Surrey Satellite Technology Ltd. (SSTL) die Navigationssatelliten. Die OHB System AG ist für das Satellitenkonzept, die Satellitenplattform, die Satellitenintegration und deren Verifikation zuständig. SSTL, seit 2008 im Mehrheitsbesitz von Airbus D&S liefert die Satellitennutzlast und unterstützt OHB auf Systemebene mit den aus dem ersten Testsatelliten Giove A gewonnenen Erfahrungen. Des weiteren unterstützt OHB System die notwendigen Aktionen während der Startvorbereitungen und der In-Orbit-Verifikation.

Im Auftrag der Europäischen Kommission hat die ESA im Mai 2021 zwei Verträge über einen Gesamtwert von 1,47 Mrd. € für die Entwicklung und den Bau des ersten Loses der zweiten Generation der europäischen Galileo-Navigationssatelliten unterzeichnet. Nach einem intensiven Verfahren mit offenem Wettbewerb wurden diese Verträge an ThalesAleniaSpace (Italien) und Airbus Defence & Space (Deutschland) vergeben, um zwei unabhängige Satellitenfamilien mit insgesamt 12 Galileo-Satelliten der zweiten Generation zu schaffen. Der Bremer Satellitenbauer OHB ging beim Auftrag leer aus.

Der seit zwanzig Jahren existierende, mit zweistelligen Wachstumsraten boomende Markt für Applikationen braucht diese ultragenaue Geolokalisierungstechnologie unter anderem zur Entwicklung von Spielen, für die Augmented Reality, für Sportler- Apps, die sozialen Netzwerke und das Geomarketing.

IOV_fairing_l Quelle: DLR kontrollzentrum Quelle: GfR

Links: Galileo-Satelliten an Bord der Sojus

Die beiden operationellen Satelliten des europäischen Satelliten-Navigationssystems Galileo (Galileo-IOV FM3 und FM4) an Bord einer Sojus-Rakete der Variante ST-B mit einer Oberstufe des Typs Fregat-MT.

Rechts: Galileo-Kontrollzentrum beim DLR in Oberpfaffenhofen

Die Gesellschaft für Raumfahrtanwendungen (GfR) mbH ist ein Unternehmen des DLR e.V. Seit 2008 führt die Firma mit etwa 50 Mitarbeitern als GmbH unter industriellen Rahmenbedingungen Projekte im Raumfahrtbereich mit Schwerpunkt satellitengestützter Navigation durch. Sitz der Gesellschaft ist Oberpfaffenhofen. Hier befindet sich ein Herzstück des Galileo-Projektes, das Galileo Kontrollzentrum.

Bodensegment

Im Vergleich zu anderen Satellitensystemen benötigt ein Satellitennavigationssystem eine groߟe Anzahl von Infrastrukturelementen am Boden. Zu ihnen gehören:

Die weltweit verteilten Elemente sind zum großen Teil auf europäischem Territorium installiert, es werden in großem Umfang die Französischen Überseegebiete genutzt, aber auch Stationen auf norwegischem Hoheitsgebiet (obwohl Norwegen kein EU-Mitglied ist). Stationen, die ursprünglich auf UK-Territorium aufgebaut wurden (Ascension, Falklands) wurden inzwischen im Zuge des Brexit entfernt.

Finanzierung und Kosten

Als Kosten für den Aufbau von Galileo waren ca. 3,5 Milliarden Euro veranschlagt, für den Betrieb des Systems rund 220 Mio €/a. Die Einhaltung dieser Summen ist zweifelhaft. Zwischenstaatliche Unstimmigkeiten und Konflikte zwischen politischer Ebene und Herstellerkonsortium verzögern den Zeitplan und bedingen andere Kalkulationen (2007), z.B. über Restgelder aus dem EU-Agrarhaushalt. Für den Zeitraum 2014 - 2020 sieht der Mehrjährige Finanzrahmen der Union für Galileo EUR 6,3 Mrd. zu Preisen von 2011 vor. Daneben stehen Gelder aus dem EU-Rahmenprogramm für Forschung und Innovation Horizont 2020 zur Verfügung. Inzwischen (2019) belaufen sich die Kosten für Aufbau und Betrieb auf gut zehn Milliarden bis zum Jahr 2020. Die ursprünglich geplante Partnerschaft zwischen Industrie und öffentlicher Hand für Aufbau und Betrieb war schon zu Anfang des Projekts zerbrochen, weshalb die Steuerzahler die Kosten übernehmen mussten.

Der deutsche Anteil beträgt 20 Prozent und entspricht dem Beitrag Deutschlands am EU-Haushalt. Der Brexit wird automatisch zu einer noch stärkeren Beteiligung führen.

Projektablauf

Die Planungs- und Definitionsphase schloss mit dem Start und der Inbetriebnahme zweier Testsatelliten und der zugehörigen Bodenstationen im Januar 2006 ab. Der Test der Sendefrequenzen musste vor dem 10. Juni 2006 erfolgen, weil sonst die Reservierung für die Galileo-Frequenzbänder bei der Internationalen Fernmeldeunion (ITU) verfallen wäre. Mit Entwicklung, Start und Test von vier Galileo-Satelliten (In Orbit Validation, IOV) endet die zweite Phase 2011.

Der erste Testsatellit GIOVE-A1 (Galileo In-Orbit Validation Element) wurde am 28. Dezember 2005 vom Raumfahrtzentrum in Baikonur (Kasachstan) gestartet. Das erste Navigationssignal übertrug GIOVE-A zu Testzwecken am 2. Mai 2007. GIOVE-B, der zweite Testsatellit, wurde am 26. April 2008 ebenfalls vom Kosmodrom Baikonur gestartet. Als neue Nutzlast verfügt er über Laser-Retroreflektoren für die exakte Bahnvermessung und eine hochgenaue passive Wasserstoff-Maser-Atomuhr. Am 7. Mai 2008 sendete er die ersten hochgenauen Navigationssignale.

Am 4. Februar 2011 begann die erste große Testphase. Der deutsche Bundesverkehrsminister nahm in Berchtesgaden die erste europäische Testregion in Betrieb. Das Projekt GATE ermöglicht den Test von Galileo-Empfängern. Es betreibt im Raum Berchtesgaden terrestrische Funkanlagen, die Signale aussenden, wie sie später von Galileo erwartet werden. Entwickler führten ab da Praxistests unter realen Einsatz- und Umgebungsbedingungen durch.

Nachdem die ersten Galileo-Satelliten in der Umlaufbahn waren und gut funktionierten, beendete die ESA 2012 die Nutzung von GIOVE-A. Der Satellit wurde auf eine "Friedhofsumlaufbahn" 100 km über den Umlaufbahnen der operativen Satelliten gebracht, ebenso wie GIOVE-B nach seiner eigenen vierjährigen Mission. Die Kontrolle über GIOVE-A ging jedoch an den Hersteller Surrey Satellite Technology Ltd (SSTL) im Vereinigten Königreich über. GIOVE-A wurde dann für verschiedene Experimente in der Erdumlaufbahn eingesetzt, u. a. zur Demonstration des Empfangs von Satellitennavigationssignalen von GPS-Satelliten, die unterhalb von GIOVE-A kreisen.

In der dritten Phase, der Errichtungsphase, wird das System fertiggestellt. Die ersten zwei Satelliten (In Orbit Validation IOV) wurden am 21. Oktober 2011 mit dem ersten Start einer Sojus-ST-Rakete vom europäischen Weltraumzentrum in Französisch-Guayana ins All gebracht. Dies war gleichzeitig der erste Start einer russischen Trägerrakete von einem Weltraumbahnhof der ESA. Zwei weitere Satelliten sind am 12. Oktober 2012 – wiederum mit einer Sojus-Rakete – von Kourou aus gestartet, um die Validierungsphase des Galileo-Programms abzuschließen.

Am 22. August 2014 wurden zwei weitere Satelliten von der Sojus-Oberstufe Fregat im All ausgesetzt, allerdings hatte ein technischer Defekt die Satelliten in einen zu niedrigen Orbit gebracht. Eine eingefrorene Hydrazin-Leitung in der Oberstufe hatte die Nutzlast fehlgeleitet. Ein weiteres Manko war, dass die Satelliten auf einer elliptischen anstatt auf einer Kreisbahn unterwegs waren, und zusätzlich mit einer Neigung von 49,8 Grad zum Äquator. Damit Galileo auf der Erde flächendeckend zur Verfügung steht, sind 55 Grad notwendig. Nach erfolgreichen Bahnkorrekturen ging die ESA in den ersten Monaten des Jahres 2015 davon aus, künftig eine volle Funktionsfähigkeit der Satelliten zu erreichen.

Am 27.3.2015 brachte wiederum eine Sojus-Trägerrakete die Satelliten Nummer sieben und acht von Europas Weltraumbahnhof Kourou in Französisch-Guayana aus in den Weltraum. Weitere Paare folgten am 11.9.2015, 17.12.2015 und 24.5.2016. Am 17.11. 2016 wurden erstmals vier weitere Galileo-Satelliten gestartet, und zwar mit einer Ariane-5-Trägerrakete von Kourou aus. Im Dezember 2016 war das GALILEO System mit der Erklärung sog. „erster Dienste“ in die operationelle Phase eingetreten. Seither können Nutzer Signale von GALILEO Satelliten im All verwenden. Verfügbar waren zunächst der offene Dienst (Open Service, OS), der Such- und Rettungsdienst (Search and Rescue, SAR) sowie der öffentlich-regulierte Dienst (Public Regulated Service, PRS).

Am 12. Dezember 2017 brachte eine Ariane 5 vier weitere Galileo-Navigationssatelliten auf ihre Umlaufbahnen. Damit war die Galileo-Konstellation auf 22 Satelliten angewachsen. Mit dem am 25.7.2018 erfolgten Vierer-Start war die Galileo-Konstellation mit 24 Satelliten plus 2 Ersatzsatelliten vollständig. Im September 2021 gab es 26 Satelliten in der Konstellation: 22 in nutzbarem Zustand (d.h. der Satellit ist einsatzbereit und trägt zur Bereitstellung von Diensten bei), zwei Satelliten befinden sich in der "Testphase" und zwei weitere stehen den Nutzern nicht zur Verfügung. Am 5. Dezember 2021 wurden die Galileo-Satelliten 27-28 ins All gebracht. Dabei handelt es sich um die ersten beiden der verbleibenden 12 Galileo-Satelliten der ersten Generation. Die Webseite von EUSPA liefert aktuelle Informationen u. a. zum Stand der Konstellation von Galileo.

Aufsichtorganisationen und Betreiber

Am 25. Mai 2003 gründeten die EU und ESA das gemeinsame Unternehmen Galileo Joint Undertaking (GJU). Es koordinierte in der IOV Phase die Entwicklung des Galileo-Systems. Dazu gehören die ersten beiden Testsatelliten GSTB-V2 (GIOVE-A und B), die Inbetriebnahme der ersten vier Satelliten der Konstellation in der IOV-Phase.

Zum Ende des Jahres 2006 wurde die Liquidation der GJU eingeleitet. Ihr Ziel, einen Konzessionär für Galileo auszuwählen, hat sie nicht erreicht. Die Agentur für das Europäische GNSS (GSA) der Europäischen Kommission übernahm zum 1. Januar 2007 die Aufgaben des GJU. An ihr ist die ESA unmittelbar nicht mehr beteiligt.

Die mangelnden Kompetenzen der Kommission und die ungleichen Kräfteverhältnisse zwischen den EU-Mitgliedstaaten und den europäischen Institutionen haben unweigerlich zur Herausbildung eines äußerst komplexen Führungssystems geführt. Theoretisch ist die Kommission für die politische Leitung des Galileo-Programms zuständig, während die ESA für die technischen Aspekte verantwortlich zeichnet. Die eigens für Galileo gegründete Agentur für das Europäische GNSS (GSA) soll den betrieblichen Part übernehmen. In der Praxis führt aber jede neue Programmphase zu tiefgreifenden Meinungsverschiedenheiten. Um diese Blockaden zu lösen, setzt die EU auf verschwommene Bestimmungen, die Raum für Absprachen hinter den Kulissen lassen – und für endlose Diskussionen. So gibt es beispielsweise keine präzisen Regeln, um die erforderliche Kooperation zwischen der Kommission und der ESA in geordnete Bahnen zu lenken. (TAZ / LMd)

Nach der Einigung im Rat für Wirtschaft und Finanzen der EU über die Finanzierung von Galileo in der FOC Phase bleibt die GSA im Auftrag der EU hauptverantwortlich für das Galileosystem. Sie beauftragt die Galileo Service Operating Company (GSOP) mit dem Betrieb des Systems. Die ESA wird hingegen für die Weiterentwicklung des Systems beauftragt. Diese Struktur soll auch über das Ende der FOC Phase hinaus beibehalten werden.

Hauptverantwortlich für den Galileo-Betrieb ist seit 2010 die Spaceopal GmbH in München. Es handelt sich um ein Gemeinschaftsunternehmen der DLR Gesellschaft für Raumfahrtanwendungen in München und dem italienischen Raumfahrtunternehmen Telespazio Spa mit Sitz in Rom, welches wiederum ein Joint Venture der italienischen Leonardo S.p.A. und der französischen Thales Group ist. Spaceopal hat Galileo-Kontrollzentren in Oberpfaffenhofen und im Raumfahrtzentrum Fucino bei Avezzano, Italien.

Seit Mitte Oktober 2020 hat Rodrigo da Costa die Amtsgeschäfte als neuer Exekutivdirector der GSA übernommen. Herr da Costa wird die GSA durch den Transformationsprozess zur EU Space Programme Agency (EUSPA) führen. Die EUSPA wird im Auftrag der Europäischen Kommission zusätzlich zu den bisherigen Aufgaben weitere im Zusammenhang mit dem EU-Weltraumprogramm (EU Space Programme) übernehmen. Die Verhandlungen zum Finanzrahmenpartnerschaftsabkommen zwischen EU, GSA und ESA laufen derzeit noch. In dem Abkommen soll die Aufgabenteilung festgelegt werden.

Signal und Empfänger

Galileo benutzt gemeinsam mit GPS das Frequenzband L1 bei 1575,42 MHz und L5 bei 1176,45 MHz. Das Band L2 bei 1227,6 MHz steht GPS allein zur Verfügung, für Galileo ist es das Band E6 bei 1278,75 MHz.

Galileo-Satelliten senden mit 50 Watt. Die Sendeleistung ist so gering, dass ein Navigationsempfänger in 20.000 km Entfernung mit einer einfachen Stabantenne fast nur Rauschen von gleichzeitig mindestens vier Satelliten empfängt. Deren Signale sind dopplerverschoben. Außerdem empfängt er Signale von GPS-Satelliten auf den gleichen Frequenzen.

Die Rückgewinnung der Navigationsdaten gelingt, weil jeder Satellit z. B. auf der L1-Frequenz ein charakteristisches Pseudorauschsignal, den Spreizcode mit 1 MHz Bandbreite, sendet, das mit einer Bitrate von 50 bit/s moduliert ist. Durch Korrelation mit dem Pseudorauschsignal filtern Empfänger die Signale der einzelnen Satelliten wieder heraus.

Kooperation und Leistungsvergleich

Galileo konkurriert nicht nur mit dem bestehenden amerikanischen (NAVSTAR-GPS) und dem russischen (GLONASS), es ergänzt sie auch. Das US-amerikanische GPS gilt dabei als Referenzsystem. Europa hat großen Wert darauf gelegt, dass Galileo nicht gegen sondern mit GPS arbeiten wird. Es basiert auf derselben Grundtechnologie wie GPS, ist kompatibel und bietet zusammen mit GPS eine wesentlich höhere Genauigkeit sowie erhöhte Ausfallsicherheit. Im Verhältnis zu GPS senden die Galileo-Satelliten ein wesentlich stärkeres Signal und das auf drei verschiedenen Frequenzbändern. Die Korrektursignale von EGNOS, einem Netz von Bodenstationen, ermöglichen eine Reihe von hochgenauen Anwendungen. Qualitätssprünge werden durch die Kombination der unterschiedlichen Informationsquellen verschiedener Systeme (GPS, GLONASS etc.) erwartet.

Heute nutzen beispielsweise die meisten neuen Smartphones das Galileo-Netz für die Navigation. Im Juli 2019 waren es weltweit bereits ca. 800 Mio (s. useGALILEO.eu). Im Vergleich zu GPS kann es Standorte um einiges genauer erfassen: Galileo verspricht eine Genauigkeit bis zu 30 cm - im Vergleich zu etwa fünf Meter bei GPS.

Die Möglichkeiten von Galileo wurden inzwischen durch einen neuen High Accuracy Service (HAS) erweitert, der weltweit für alle mit einem entsprechend ausgestatteten Empfänger frei verfügbar ist. Die Genauigkeit des High Accuracy Service beträgt bis zu 20 cm horizontal und 40 cm vertikal. Dies wird durch eine zusätzliche Ebene von Positionskorrekturen in Echtzeit ermöglicht, die über einen neuen Datenstrom innerhalb des bestehenden Galileosignals bereitgestellt werden.

Mit diesem neuen Galileo-Dienst zielt EUSPA auf aktuelle Hochpräzisionsanwendungen wie Präzisionslandwirtschaft, Rohstoffsuche, Landvermessung und hydrographische Vermessung sowie auf aufstrebende Sektoren wie Robotik, autonomes Fahren von Autos, Zügen, Schiffen und Drohnen sowie Augmented-Reality-Spiele und Marketing – und sogar Formationsflüge von Satelliten.

Neuer hochpräziser Galileo-ServiceGalileo-Konstellation Quelle: ESA

Das neue HAS verbessert die Leistung des globalen Netzwerks von Galileo-Sensorstationen, welches kontinuierlich die Satelliten und ihre Signale überwacht, damit das System auf Kurs bleibt. Ihre Daten werden zur Erstellung einer Reihe von Korrekturen verwendet, die dann etwa alle 100 Minuten an die Galileo-Satelliten weitergeleitet werden, um sie in ihre Navigationssignale einzubinden.

Der neue Galileo-Dienst verbessert diese Leistung noch durch den Einsatz eines hochgenauen Datengenerators, der sich im Galileo-Kontrollzentrum in Fucino, Italien, befindet und zusätzliche Korrekturen für Galileo sowie für die US-GPS-Satelliten generiert. Diese Korrekturen werden dann in Echtzeit über das Galileo-Satellitensignal an kompatible Empfänger weitergeleitet – und zwar in einer einzigen Nachricht mit 448 Bits pro Sekunde, was eine einzigartige Fähigkeit der sorgfältig ausgearbeiteten Galileo-Signalform ist.

Pannen und Probleme

Das Satellitennavigationssystem Galileo sollte ursprünglich bereits 2008 starten. Nach einigen Pannen und Verzögerungen ging der Betrieb dann 2016 tatsächlich los. Immerhin zählte das System bereits nach einem Jahr schon 100 Millionen Nutzer. Nach Schätzungen des CNES nehmen bereits heute (2019) mehr als 700 Millionen Nutzer den offenen Dienst in Anspruch.

Obwohl ein Großteil der Satelliten in ihren Umlaufbahn kreisen, sorgt Galileo hinter den Kulissen noch immer für Unruhe. Führungsprobleme, schlechte Businesspläne, riskante Entscheidungen der Kommission, nationale Egoismen, aus Proporzgründen über ganz Europa verteilte Zuständigkeiten, Industriekrieg – das europäische Satellitennavigationssystem hat schon mehrfach kurz vor dem Aus gestanden. Mittlerweile ist das Projekt bereits zehn Jahre im Verzug, während sich die Kosten verdreifacht haben und mindestens 13 Milliarden Euro betragen werden.

Galileo, hieß es immer, sei zu teuer, um von einem einzigen Staat gestemmt zu werden. An ihm zeigen sich die Schwierigkeiten einer Union, der es an politischer Führung und einer klaren Strategie mangelt, eine groß angelegte Industriepolitik umzusetzen. Das Satellitennavigationssystem ist anfällig für Interessenkonflikte und nationale Egoismen, obwohl zwischenstaatliche Projekte (ohne Verbindung zur EU-Struktur) wie Airbus D&S oder Arianespace große Erfolge gefeiert haben.

Galileo ist von Anfang an nicht klar definiert worden. Während das System aus Sicht einiger Akteure der geostrategischen Unabhängigkeit Europas dienen soll, möchten andere, dass es als einfaches Wirtschaftsprogramm behandelt wird.

Einige Beispiele:

Dazu kamen internationale Probleme. 2001 hatte die Europäische Union entschieden, ein eigenes einheitliches Programm zu starten und somit nicht auf zwischenstaatliche Kooperation zu setzen. Das Vereinigte Königreich widersetzte sich dieser Idee. Aufgrund ihrer 'Special Relationship' mit den Amerikanern hatten die Briten kein Interesse, ein Konkurrenzsystem zum GPS aufzubauen. Sie fürchteten zudem eine Verschwendung öffentlicher Gelder. Washington war von der Idee ebenfalls nicht begeistert. Dass sich ein feindliches Land Zugang zu diesem sehr genauen Signal verschaffen und es zur Steuerung seiner Raketenwaffen nutzen könnte, beunruhigte das Pentagon. Zu dieser Zeit konnte es die Genauigkeit des zivilen GPS-Signals noch immer unilateral herabsetzen, was sowohl im Golfkrieg als auch im Kosovokrieg geschah.

Galileo sah sich denn auch bald einer sehr aggressiven Kampagne ausgesetzt. So schrieb der stellvertretende US-Verteidigungsminister Paul Wolfowitz im Dezember 2001 einen Drohbrief, um die europäischen Regierungen einige Tage vor der entscheidenden Sitzung des EU-Rats von der Freigabe der ersten Gelder für das Programm abzuhalten. Er befand, dass eine zivile Leitung der sicherheitspolitischen Dimension eines Geolokalisierungsprogramms nicht gerecht werde und kritisierte, dass Galileo dasselbe Wellenspektrum nutzen sollte wie das GPS-Militärsignal. Wolfowitz sagte klar, es sei "im Interesse der Nato zu verhindern, dass die Entwicklung des künftigen Galileo-Signals innerhalb des GPS-Spektrums erfolgt." (Weiterlesen in Le Monde diplomatique / taz)

Galileo zweite Generation (G2)

Mit dem Auftrag an ThalesAleniaSpace und Airbus Defence & Space vom Mai 2021, zwei unabhängige Satellitenfamilien mit insgesamt 12 Galileo-Satelliten der zweiten Generation zu schaffen, beginnt eine weitere Phase der Galileo-Geschichte. Die Galileo-Satelliten der zweiten Generation (G2) werden die Galileo-Flotte revolutionieren. Die neuen G2-Satelliten werden in kurzer Zeit gebaut, ihr erster Start wird in weniger als vier Jahren erwartet, so dass sie so schnell wie möglich ihren Betrieb im All aufnehmen können. Die Satelliten werden 15 Jahre lang in der Umlaufbahn betrieben.

Die G2-Satelliten werden sich schrittweise in die bestehende Konstellation einfügen, werden aber viel größer sein als die bisherigen Satelliten.

Die mehr als 2 Tonnen schweren Satelliten werden sechs (statt vier) verbesserte Atomuhren sowie Inter-Satelliten-Verbindungen enthalten, die es ihnen ermöglichen, miteinander zu kommunizieren und sich gegenseitig abzugleichen. Dies soll den Nutzern auf der ganzen Welt eine Präzisionspositionierung im Dezimeterbereich ermöglichen. Das über die Atomuhren geführte Zeitgebungssystem von Galileo ist auch ein wichtiger Faktor für die Abwicklung von Börsengeschäften.

Die Satelliten werden mit einer erhöhten Datenrate vom und zum Boden gesteuert werden können und mit fortschrittlichen Schutzmechanismen gegen Störsignale und Spoofing ausgestattet sein, um die Galileo-Signale zu schützen.

Zu den neuen Technologien an Bord gehört ein elektrischer Antrieb, der die Satelliten von der Umlaufbahn, in der sie gestartet werden, bis zu den endgültigen Betriebsumlaufbahnen vorantreibt, so dass trotz ihrer größeren Masse zwei Satelliten gleichzeitig gestartet werden können. Inter-Satelliten-Verbindungen zwischen den Satelliten ermöglichen einen routinemäßigen Abgleich ihrer Leistung und reduzieren die Abhängigkeit von der Verfügbarkeit von Bodenanlagen. Die Satelliten werden außerdem über fortschrittliche Schutzmechanismen gegen Jamming und Spoofing verfügen, um die Galileo-Signale zu schützen.

Dank G2 wird es für Navigationsgeräte wie Smartphones möglich sein, das Signal schneller zu erfassen und beim Einschalten ihrer Geräte schneller auf Dienste zuzugreifen, bei geringerem Stromverbrauch. Dies wird neue Perspektiven für viele neue Geräte mit Positionierungsfähigkeiten eröffnen, eine wahre Revolution für künftig selbstfahrende Autos, autonome Drohnen und das gesamte 'Internet der Dinge'.

G2 wird auch erweiterte Dienste für Such- und Rettungsdienste bieten, einschließlich Zwei-Wege-Kommunikation zur Person in Not. Und eine neue Notfall-Kommunikationsfunktion wird es Behörden ermöglichen, Nutzer in betroffenen Regionen vor drohenden Gefahren wie Tsunamis oder Erdbeben zu warnen. Solche Warnungen könnten unabhängig von Telekommunikationsanbietern überall auf der Erde gesendet werden, indem die Galileo-Navigationssignale als Einweg-Nachrichtendienst genutzt werden.

Weitere Informationen:


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