Lexikon der Fernerkundung

Weltraumwetter

Engl. space weather; Bezeichnung für das komplexe Wechselspiel zwischen Phänomenen auf der Sonne, im interplanetaren Raum sowie in der Erdmagnetosphäre und -ionosphäre mit Einflüssen und Auswirkungen bis zur Erdoberfläche. Der Begriff wurde zuerst in den 1950er Jahren verwendet, bevor er in den 1990er Jahren allgemeine Verwendung fand. „Weltraumwetter“ gilt als Oberbegrif für eine Vielzahl physikalischer Prozesse, die in der Magnetosphäre und Ionosphäre ihren Ursprung haben.

Gewaltige Eruptionen auf der Sonne, verbunden mit Ionenstürmen verursachen verschiedene Effekte, die starken Einfluss auf den erdnahen Weltraum und selbst auf die Erdoberfläche haben. Etwa acht Minuten nach einem Ausbruch erreichen Röntgen- und UV-Strahlung die Erde, die zu Änderungen der Elektronendichte in der Ionosphäre (elektrisch leitfähige Gashülle um die Erde ab einer Höhe von ca. 60 km) führen. Nach einigen Tagen trifft die ausgestoßene Plasmablase und das in ihr eingebettete Magnetfeld auf das Erdmagnetfeld, was in weiterer Folge das Polarlicht verursachen

Ein extremes Weltraumwetterereignis im Oktober 2003 führte zu großen und schnellen Magnetfeldschwankungen und einem erheblichen Anstieg der energetischen Elektron- und Protonströme in der erdnahen Umgebung.

Auswirkungen

In der modernen Wirtschaft können zahlreiche Sektoren vom Weltraumwetter betroffen sein. Diese reichen von der weltraumgestützten Telekommunikation, dem Rundfunk, den Wetterdiensten und der Navigation bis hin zur Energieverteilung, Zeitgebungsdiensten und der terrestrischen Kommunikation, insbesondere in nördlichen Breitengraden. Zu den Auswirkungen des Weltraumwetters auf der Erde können Schäden und Störungen in den Stromversorgungsnetzen und eine verstärkte Korrosion von Rohrleitungen gehören.

Ferner führen diese Prozesse zu einer Ausdehnung der Atmosphäre, was Einfluss auf Satellitenbahnen hat. So kommt es zu Störungen von Satellitennavigationsdiensten wie Galileo, die auf die Auswirkungen des Weltraumwetters auf die obere Atmosphäre zurückzuführen sind. Dies wiederum kann sich auf die Luftfahrt, den Straßenverkehr, die Schifffahrt und alle anderen Aktivitäten auswirken, die von einer genauen Positionsbestimmung abhängen.

Bei Satelliten in der Umlaufbahn zeigen sich die Auswirkungen des Weltraumwetters in einer Beeinträchtigung der Kommunikation, der Leistung, der Zuverlässigkeit und der Gesamtlebensdauer. Beispielsweise erzeugen die Solarpaneele, die das Sonnenlicht in elektrische Energie umwandeln, bei den meisten Raumfahrzeugen im Laufe einer Mission immer weniger Energie, was bei der Konstruktion des Satelliten berücksichtigt werden muss.

Außerdem beeinflussen hochenergetische solare Teilchen die terrestrische Biosphäre, wo sie Mutationen bei Zellstrukturen bewirken. Darüber hinaus kann die erhöhte Strahlung aufgrund des Weltraumwetters zu einem erhöhten Gesundheitsrisiko für Astronauten führen, sowohl heute an Bord der Internationalen Raumstation in einer niedrigen Umlaufbahn als auch in Zukunft bei Reisen zum Mond oder Mars.

Auf der Erde kann es bei großen Weltraumwetterereignissen auch zu Schäden an der Flugzeugelektronik und zu erhöhten Strahlungsdosen für die Besatzungen (in den Höhen von Langstreckenflugzeugen) kommen.

Grafik: Weltraumwetter - Auswirkungen auf Infrastruktur und Menschen

Zu den technologischen Infrastrukturen, die von Weltraumwetterereignissen betroffen sind, gehören Satelliten, Flugzeuge und Stromnetze. Ein Netz von gegenseitigen Abhängigkeiten macht die moderne Wirtschaft besonders empfindlich gegenüber Sonnenstürmen. Deshalb sind die Förderung des Verständnisses der Ursachen des Weltraumwetters und die Verbesserung seiner Vorhersage entscheidende Ziele.

Weltraumwetter - Auswirkungen auf Infrastruktur und Menschen Quelle: ESA

Weltraumwetter-Warnsysteme

Eine frühe Information über den Sonnenwind erhalten wir vom NASA-Satelliten 'Advanced Composition Explorer’ (ACE). Das DLR Neustrelitz gehört zum ‘Real Time Solar Wind’ (RTSW) Netzwerk der National Oceanic and Atmpospheric Administration (NOAA) der USA. Die RTSW Daten liefern zuverlässige Warnungen vor starken Sonnenstürmen etwa eine Stunde im Voraus. ACE-Daten sind damit auch die Grundlage für die Verbesserung der Vorhersage ionosphärischer Störungen.

Das Verständnis von Weltraumwetterprozessen war bisher eine Herausforderung, da Beobachtungen oft sehr spärlich und auf Orte beschränkt waren, an denen Satelliten In-situ-Messungen liefern konnten. Aus diversen Weltraummissionen der NASA, ESA und anderer Organisationen stehen inzwischen jedoch umfassende und langfristige Datenreihen zur Verfügung. Fortschritte bei maschinellen Lerntechniken ermöglichen es, auf Grundlage dieser Datensätze komplexe empirische Modelle zu erstellen. (Kreibich u.a. 2018)

Bei der ESA ist es Ziel des Weltraumwetterdienstes, Eigentümern und Betreibern kritischer weltraumgestützter und bodengestützter Infrastrukturen zeitnahe und genaue Informationen zur Verfügung zu stellen, um die negativen Auswirkungen des Weltraumwetters zu mindern. Der Weltraumwetterdienst entwickelt ein föderiertes Konzept für die Erbringung von Weltraumwetterdiensten, das Doppelarbeit vermeidet und sicherstellt, dass die vorhandenen Mittel und Ressourcen eine Schlüsselrolle im Weltraumwettersystem der ESA spielen.

Störungen oder gar Ausfälle der Stromversorgung aufgrund von extremen Magnetfeldschwankungen gefährden künftige intelligente Stadt- und Wirtschaftskonzepte. Daher ist ein besseres physikalisches Verständnis der Auswirkungen des Weltraumwetters und seiner Folgen für die Funktion fortschrittlicher Technologien von entscheidender Bedeutung. Dieses Wissen ist die Grundlage dafür, dass unsere Gesellschaften die Vorhersage von Weltraumwetterereignissen zu einer bedeutenden Aufgabe für die Grundlagen- und Anwendungsforschung im Bereich der Weltraumforschung machen.

Strahlungsumgebung der Erde Die Strahlungsumgebung nahe der Erde

Die Intensität der Teilchenstrahlung ist farblich gekennzeichnet. Ebenfalls schematisch dargestellt sind die Van Allen Probes, inzwischen inaktive Raumfahrzeuge der NASA, die mit einer beträchtlichen räumlichen Abdeckung Messungen der Strahlung, des Wellenfelds und der Plasmaumgebung nahe der Erde lieferten.

Die beiden im Jahr 2012 gestarteten Van-Allen-Sonden bewegten sich auf elliptischen Bahnen um die Erde.

Quelle: GFZ

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